Sonntag, 24. Februar 2008
Gestern im Stadtgarten in Köln:

- von dolce vita vorgewarnt, standen wir pünktlich zum angekündigten Konzertbeginn von 21 Uhr vor dem Stadtgarten - und kamen nicht hinein. Der Einlass verzögerte sich und so hieß es, noch eine gewisse Zeit im schon leicht frühlingshaften Köln zu überbrücken. Doch irgendwann gingen die Türen auf und das Konzert konnte beginnen......

- der Stadtgarten war sehr gut gefüllt - mit so vielen Zuschauern hatte ich nicht gerechnet. Doch war das eigentlich keine Überraschung, denn die (mit-)veranstaltende Radiostation WDR Funkhaus Europa hatte in der ganzen Woche mit ständigen Ankündigungstrailern und der Prämierung der Platte als CD der Woche für reichlich Promotion gesorgt. Ich war und bin eigentlich immer noch ein Fan von Funkhaus Europa, aber so langsam geht mir ihre Omnipräsenz im Bereich Weltmusik in Köln etwas auf die Nerven.

- da wir uns im Vorraum etwas verquatscht hatten, kamen wir in den Saal so ziemlich als Letzte und mussten uns ziemlich weit hinten platzieren. Auf der Bühne standen acht Musiker in ziemlich abstrusen Köstümen und legten los wie die Feuerwehr. Schlagzeug, zwei Gitarren, Bass, drei Bläser und der Sänger sorgten für eine stimmige Bühnenshow, die nicht sonderlich spektäkulär war, aber durch einige nette Gimmicks glänzte. So wurde mittels Flex der (präparierte) Motorradhelm des Sängers bearbeitet und sorgte für stimmungsvolle Lichteffekte. Wobei mir überhaupt nicht klar wurde, welchen dramaturgischen Effekt diese Lightshow haben sollte.......

- ansonsten wurde die visuelle Begleitung durch computeranimierte Bilder übernommen. Es reicht aber nicht aus, den Namen der Band und einige verzerrte Livebilder auf die Bühne zu schicken, um Atmosphäre zu erzeugen - zumal die Bühnenscheinwerfer ohne irgendwelche Effekte immer mit der gleichen Helligkeit leuchteten und so den Charme einer südholländischen Kleinstadt um Mitternacht erzeugten.

- auch sondtechnisch bot das Konzert leider keine Offenbarung. Häufig kam ein einziger Soundbrei bei uns an, den Sänger hab ich meist überhaupt nicht verstanden. Eigentlich ist der Stadtgarten bekannt für guten Sound, so dass ich schon vermutete, die Band hätte live einfach übertrieben und wild durcheinandergespielt. Umso größer mein Erstaunen, als ich heute nachmittag im Radio einen ersten Livemitschnitt des gestrigen hören konnte. Der Song "Paradise", den ich gestern ziemlich gräßlich fand, kam im Radio in einer so guten Qualität, daß ich nicht glauben konnte, dass die Aufnahme von gestern abend stammte. Bezeichnend auch, dass zu Beginn des Konzerts das Mikrophon des Sängers ein heftiges Knacken erzeugte und erst drei oder vier Lieder später ausgewechselt wurde - bis dahin knackte und krachte es immer mal wieder nervend in den Lautsprechern....

- was ich bei der CD-Rezension schon kritisiert hatte, störte mich auch gestern etwas beim Live-Konzert. Die Band geht ein irres Tempo, es fehlt aber manches Mal ein deutlicherer Rhythmuswechsel, um mehr Abwechslung zu erzeugen.

- das war es aber dann auch mit den Kritikpunkten. Die Band verströmte eine ungeheure Spielfreude - der Sänger hatte eine herrlich anarchisch abgedrehte Aura und fegte wie ein Derwisch über die Bühne. Es gelang der Band schnell, den größten Teil des Publikums einzuwickeln und zum Tanzen und Mtgehen zu bewegen - ganz ohne bemühte Animationen, die man immer wieder bei anderen Bands erleben muss. Wenn man den schlechten Sound akzeptiert hatte, konnte man einen vergnüglichen Abend mit ziemlich abgedrehter Musik verbringen - leider war nach ca. 90 Minuten schon wieder Feierabend - die DJs und das nur für die GlobalPlayer-Party zahlende Publikum warteten schon........

Insgesamt ein gutes Konzert, welches aber nicht ganz meine (hochgestellten) Erwartungen erfüllen konnte.



Eine Anmerkung habe ich aber noch: Irgend jemand sollte mal dem Sänger darauf hinweisen, dass sein Oberlippenbart verbunden mit seiner Frisur spätestens ab der dritten Reihe bei den meisten Zuschauern für äusserst irritierende Assoziationen sorgt - da hilft dann auch kein "Fuck Berlusconi"......



Über Spaghetti-Balkan ist hier in der letzten Zeit ja einiges geschrieben worden und sicherlich wird auch noch einiges geschrieben werden (z. B. der Konzertbericht zu Figli di Madre Ignota)
Das dieses Genre oder vergleichbare Musik auch in den östlichen Nachbarländern Italiens gepflegt wird, hätte mich daher nicht überraschen sollen - immerhin haben die italienischen Figli di Madre Ignota ihre ersten internationalen Erfolge in Kroatien feiern können. Erst via Slavonic Dances bin ich wieder auf den Slowenen Magnifico gestoßen, der bereits vor einigen Jahren mit dem leicht größenwahnsinnigen und genialen "hir aj kam hir aj go" und der CD "Import Export" ein sehr schöne CD ablieferte und jetzt seine neue Platte "Grande finale" herausgebracht hat.

Hier bekommt das eigentlich nicht mehr hörbare "House of a rising sun" noch einmal neuen Glanz und wird zu einem schaurig-schönen Abgesang auf das ehemalige Jugoslawien - was ja in dieser Woche endgültig (?) in seine Einzelteile zerbröselt ist......

Magnifico Homepage
Magnifico auf myspace


Magnifico - Land of Champions




Dienstag, 19. Februar 2008
Eigentlich wollte ich ja eine Rezension zu dem Album "Nuovo girno" der Villa Ada Crew aus Rom schreiben. Die Platte gefällt mir ausnehmend gut und hätte sicherlich mehr HörerInnen und KäuferInnen verdienst. Doch leider gibt es nur wenige Infos über die Band und noch weniger Ton und Bildbeispiele- auf myspace findet man nur ein Lied und YouTube liefert nur Live-Mitschnitte mit grauenhaftem Bild und Ton - so dass ich schweren Herzens auf eine kritsche Würdigung des Albums verzichte.

Aber die Versuche einer Recherche sollen nicht ganz umsonst gewesen sein, also mache ich mich an eine Rezension des Albums "Amore vero" von Brusco, der lange Zeit Mitglied und MC in der Villa Ada Crew gewesen ist.

Italienischer Reggae ist hier in Deutschland relativ unbekannt, kann aber schon auf eine lange Tradition zurückblicken und hat sich inzwischen in eine eigene, spezielle "Italienische" Richtung entwickelt. Charakteristisch für Reggae aus Italien ist die Sprache - sehr viele Bands und Soundsysteme singen auf italienisch oder in einem regionalen Dialekt - und insbesondere im Dancehallbereich die stärkere Fokussierung auf Melodien statt auf virtuose Übergänge oder Mixes.

Reggae in Italien war immer ein Bestandteil der autonomen sozialen Bewegungen in Italien. Als in den neunziger Jahren im ganzen Land unzählige Häuser und Fabrikhallen besetzt und zu sozialen Zentren umfunktioniert wurden, entstanden in vielen der "Centri sociali" Bands und Soundsysteme, die sich als musikalisches Sprachrohr der Bewegung ansahen und entsprechend politisierte Musik machten. Während im Norden eher Rap und HipHop als musikalischer Träger für die Botschaften benutzt wurde(Isola Posse / Sangue Misto /Red Horse Posse) bevorzugten Gruppen aus dem Süden eher Reggae und Dancehall (99 Posse / Sud Sound System). In Rom als Hauptstadt und Bindeglied zwischen Nord und Süd bildeten sich beide Richtungen zu anerkannten Vorreitern der Szene. Assalti Frontali sind seit 1990 (damals unter dem Namen Onda Rosse Posse) eine der besten und bekanntesten HipHopformationen innerhalb der autonomen Szene und die Villa Ada Crew und Radici nel Cemento gehören zu den bekannteren Reggae/Dancehall Formationen am Stiefel. Die starke Politisisierung machte es erforderlich, die Botschaften auf Italienisch zu singen, es wäre Unsinn, den potenteillen Zuhörern, die mangels Tonträger die Songs oft nur einmal (live) erlebten, mit fremdsprachlichen Gesang zu konfrontieren. Heute ist von der Politisierung der Gesellschaft nicht mehr soviel übrig geblieben und die ehemaligen Sprachrohre der Bewegung widmen sich auch anderen Themen wie z.B. der wahren Liebe ("Amore vero") - aber weiterhin auf italienisch...

Brusco war einer der Mitbegründer der Villa Ada Crew im Jahre 1991. Damals noch unter dem Namen Papa G, avancierte er zu einer der führenden MCs in der italienischen Reggaeszene. Im Jahre 2000 verließ er die Crew und startete eine Solokarriere. Vor einiger Zeit ist mit "Amore vero" seine dritte CD erschienen.

Was mir an der Paltte von Brusco gefällt, ist die ungewöhnlich poppige Gestaltung der Tunes. Gerade mich, der mit jamaikanischen Dancehall nicht soviel anfangen kann, lassen Songs wie "Sangue", "Amore vero" verzückt mit den Füßen wippen (und wenn ich mich unbeobachtet fühle, meine Hand rhythmisch schwingen). Das ist kein Pop im klassischen Sinne, sondern eher eine stärkere Betonung der Melodien im Reggae/dancehall. Was mir beim jamaikanischen Dancehall überhaupt nicht gefällt, ist diese Splittung in entweder martialischen Sounds oder kitschigen Ausflügen in das RnB-Genre. Die Sachen, die ich aus Italien kenne, liegen da angenehm irgendwo in der Mitte. Aber vielleicht liegt meine Vorliebe für Brusco auch nur an der italophilen Seite meines Ichs.....

Foto: Brusco Homepage

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So ganz will ich aber die CD "Nuovo Giorno" von der Villa Ada Crew nicht unter den Tisch fallen lassen, zumal mir deren Album noch etwas besser gefällt. Wem also Brusco gefällt, sollte sich unbedingt auch mal näher mit der Villa Ada Crew auseinandersetzen. Nette Riidims und verschiedene Stimmen (unter anderem auch wieder mit Brusco) sorgen für vielseitigeren Sound. Insbesondere die unaufgeregte Stimme von Ginko sorgt für angenehmes Reggae-Feeling. Für mich ist das Album eine der schönsten Dancehall-Platten der jüngeren Vergangenheit.......

Villa Ada Crew Homepage
Villa Ada Crew auf myspace



Montag, 18. Februar 2008
Es ist wahr, dass ich auf Werbung oft ziemlich allergisch reagiere. Im Fernsehen schaue ich mir lieber in irgendeinem dritten Programm die vierte Wiederholung eines Tatorts an als bei irgendeinem Privaten einen von der Kritik hochgelobten Kinofilm. Grund sind die grässlichen Werbeunterbrechungen, die bei mir immer noch jegliches "Eintauchen" in eine Filmhandlung verhindern (insbesondere bei den auf RTL2 gezeigten Bollywood-Streifen ist mir das sehr bewusst geworden). Das liegt zum einen natürlich an der (in meinen Wahrnehmung) zunehmenden Häufigkeit der Werbespots, aber auch an der teilweise unterirdischen Qualität.

Wer kann beispielsweise den folgenden Wahlwerbespot der FDP Hamburg gelungen finden?



Es geht mir nicht um eine kritische Auseinandersetzung mit der politischen Zielen der FDP, sondern nur um die Frage, mit welchen Argumenten eine Werbeagentur Parteibosse bequatschen kann, damit diese einen solchen Spot produzieren und ausstrahlen lassen.
Und als wenn der Spot nicht schon schlecht genug wäre - darüber hinaus hat die Agentur die glorreiche Idee, unter falschen Namen einen Link dieses Spots an Blogger zu senden, die über den Wahlkampf in Hamburg berichtet hatten - das sollte ein virale Kampagne werden, doch der Schuss ging nach hinten los - die FDP wurde aufgefordert, solchen Spam in Zukunft zu unterlassen.

Die Folge: Die FDP hat neben den Spott für einem schlechten Werbespot nun auch noch den Spott für eine Abmahnung am Hals ......

(via Hanno’s Blog)



"balkanishe Musik, wir gefallen zu spielen und die Leute tanzen zu lassen. Gibt es eine Beziehung zwischen der Tarantella und den Firewater? Ist es möglich einen Zusammenhang zwischen den balkanischen Orchestern und italienischem Rock zu finden, angenommen daß er existiert? Kann eine Gruppe von auf Nebel, Pasta und Flunkereien in nord Italien aufgewaschenen Spaßvögeln Klezmer Balkan Polka Swing spielen, ohne die Spaghetti mit Knoblauch, Öl und Paprika zu verleugnen? Die Antwort ist nicht so witchig als die Frage, das Ergebnis ist mehr interessant als logisch richtig. Die Fahrt ist faszinierend, nur für sich selbst"

..man sollte immer noch vorsichtig sein beim Gebrauch von automatischen Übersetzungsprogrammen...

Figli di Madre Ignota auf myspace



Samstag, 16. Februar 2008
"Halt die Klappe, ich hab Feierabend!"

Ab sofort ist das Samstag-Abend-Ausgeh-Programm gestrichen.
Dittsche kommt jetzt schon Samstag 22.30 im WDR


(Wer dann doch nicht auf Kino und Kneipe am Samstag verzichten will - Wiederholung am Sonntag beim NDR und montags auf der ARD und ARD Festival)



genung der Vorrede...

die heutigen Töne hat Binder&Krieglstein fabriziert. Erstaunlicherweise handelt es sich bei Binder & Krieglstein um kein Duo, sondern um den Grazer Musiker Rainer Binder-Krieglstein. Genauso verwirrend wie sein Name ist auch seine Musik. Da reihen sich partytaugliche Ohrwürmer an nur schwer zugängliche Töne. Sein vorletztes Album "Trip" war für mich nur schwer zu genießende Kost - zu schräg und quer vermischt Binder & Krieglstein unterschiedliche Murikrichtungen und Formen. Aber das Album hatte mindestens 2 Lieder, welche ich zu den genialsten Soundclashs halte, die ich so kenne. Insbesondere "Alles verloren" verbindet Musik, die eigentlich nicht zusammenpasst, auf absolut geniale Weise. Da hört man deutschen Schlager neben Bucovina-Sound und einem wunderbar eingängigen, aber niemals langweilig werdenden elektronischen Beat.

Die Melodie des Songs unterlegte Binder&Krieglstein mit Originalzitaten aus einer Rede des damaligen österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil zur ersten blau-schwarzen Koalition mit Jörg Haider. Mit diesem Lied belegte er übrigens Platz 2 des ersten österreichischen Protest Song Contest 2003.
Auf dem neuen Album hat der deutsche Musiker und Sänger Rainer von Vielen einen neuen Text zur "alten" Melodie eingesungen. Das Ergebnis ist eine wunderbar launige Beschreibung der wehleidigen Generation von Männern ab 30 (oder 40?)...........

Das Video ist die Aufzeichnung einer Live-Aufnahme mit Rainer Binder-Krieglstein am Schlagzeug und Rainer von Vielen am Mikrophon.
Wer ein "richtiges" Video von Binder&Krieglstein sehen will, dem empfehle ich "Wir wissen nicht" (ein ebenfalls toller Song) oder "Drink all day" (bei dem ich musikalisch schon sehr zwiegespalten bin, aber das Video hat was!)

Abschließend noch eine Preisfrage: "Woher hat Binder & Krieglstein die im Song vorkommende Zeile "Alles verloren, alles verloren, was ich hab" gesampelt ? (Kleiner Tipp:Deutscher Schlager von 1972)

Binder&Krieglstein Homepage
Binder&Krieglstein auf myspace
Rainer von Vielen Homepage




Der Freitag und Samstag bieten in der Regel ja vielfältige Unterhaltungs- und Zerstreuungsmöglichkeiten, so dass es auf diesem Blog nur relativ wenige neue Beiträge am Wochenende zu lesen gibt. Schon seit längerem überlege ich, wie ich diese eklatante Beitragsarmut möglichst elegant und aufwandsarm überspielen kann.

Herr Paulsen hat mich dann auf die Idee gebracht: Eine Rubrik mit einem YouTube Video bildet einen schönen Abschluss der Woche und gibt mir die Möglichkeit, Bands und Interpreten vorzustellen, die ich gar nicht oder nur unzureichend zu beschreiben in der Lage bin.

Und da im Internet keine Idee vor dem Urheberrecht sicher ist, habe ich die Rubrik einfach geklaut, und damit es nicht zu offensichtlich ist, die Überschrift geringfügig geändert. Auch wenn Herr Paulsen inzwischen ein Experte in Urheberrechtsfragen zu sein scheint, hoffe ich nicht, dass er sein frisch erworbenes Wissen an mir als praktisches Objekt ausprobieren wird.

Besonders gut gefällt mir die laufende Nummer in der Klammer am Ende der Überschrift. Im Moment sieht die (1) da noch ziemlich popelig aus - aber spätestens in einem Jahr strahlt die Nummer dann doch ein geballtes Mass an Kontinuität aus..........