Im Vorfeld der Platte habe ich mich schon gefragt, warum Amparo Sanchez, die begnadete Frontfrau ihre Band Amparanoia aufglöst hatte und zukünftig auf Solopfaden wandeln wollte. Denn Amparanoia war für mich Amparo Sanchez und es war mir nicht einsichtig, warum man "seine Begleitband" auflösen muss, um seinen Musikstil zu ändern.

Nach dem Hören des neuen Albums "Tucson - Habana" bin ich schlauer. Zwar gibt es auf der Platte ein paar Stücke, die man durchaus auch auf einem Amparanoia-Album vermuten könnte, insgesamt erkennt man aber dann doch deutlich, dass Amparo Sanchez einen deutlichen Schnitt machen wollte und dies am deutlichsten mit einem klar erkennbaren Bruch vollziehen konnte.

Als ich dann vor einigen Wochen das Video zur ersten Single hören und sehen durfte, befürchtete ich, dass Amparo Sanchez sich zu stark von Joey Burns und Calexico beeinflußt haben liess. Denn "Corazon de la Realidad" erinnert mit seinem Aufbau und diesen Trompetenfanfaren schon sehr stark an den typischen Calexico-Tex-Mex-Sound - und hatte auf dem letzten Calexico-Album ja schon einen ähnlich klingenden Vorläufer, denn auf "Carried to Dust" sang Amparo ja schon einmal einen typischen Calexico-Song.

Doch auch diese Befürchtung traf glücklicherweise nicht zu. Zwar ist die Handschrift von Burns und Co auf der CD durchaus zu erkennen, aber er ist keinesfalls prägend für das gesamte Album. Dafür sorgen neben Amparo Sanchez, die in dem Album durchaus starke eigene Akzente setzt, auch Gäste wie beispielsweise Omara Portuondo, die auf "La Parandita de las Santas" als Gastsängerin fungiert.

Auch das Konzept des Albums, welches gewissermaßen eine musikalische Reise von der amerikanisch-mexikanischen Grenzregion ins kubanisch Havana darstellt, sorgt für musikalische Vielseitigkeit und verhindert ein zu starkes Nachahmen von musikalischen Vorbildern. Ob dieses musikalische Konzept aber gelungen ist, vermag ich auch nach mehrmaligem Durchhören nicht eindeutig zu beurteilen. Positiv ist auf jeden Fall zu vermerken, dass Amparo Sanchez eine begnadete Sängerin ist, die hervorragend in der Lage ist, mit ihrer Stimme verschiedenste Gefühle und Sehnsüchte glaubwürdig und gefühlvoll zu transportieren. Ich hadere dagegen etwas mit der Songauswahl - die Songs sind allesamt sehr getragen und ruhig und manchmal mit Geige, Klavier und Besenschlagzeug fast schon kammermusikalisch - so als ob Amparo Sanchez jetzt mit allen Mitteln als ernsthafte Sängerin wahrgenommen werden möchte. Das wird ihr mit ihren unzweifelhaft vorhandenen Qualitäten hoffentlich gelingen, aber leider trifft sie mit dem musikalischen Weg, den sie eingeschlagen hat, nicht mehr hundertprozentig meinen Geschmack.

Wahrscheinlich bin ich aber auch einfach nur enttäuscht, dass Amparo Sanchez keine Lust hatte, dem musikalisch etwas brachliegenden Feld der Mestizomusik neue Impulse zu verleihen und zu neuer Blüte zu verhelfen. Diese Aufgabe hätte sie sicherlich mit Bravour lösen können, aber sie hat sich leider für einen anderen musikalischen Weg entschieden. Und mir gehen so langsam die möglichen Kandidaten für potentielle Mestizo-ErneuererInnen aus...

Amparo Sanchez Homepage
Amparo Sanchez auf myspace





Musiktipp: Calle Alegria

Musiktipp: Konzert Katzenjammer in voller Länge: http://www.wdr.de/tv/rockpalast/extra/videos/2010/0225/katzenjammer.jsp
Einfach schön (war leider ganz hinten in der Kulturkirche, weil sehr spät angekommen, und hab jetzt erst richtig sehen können, was sich auf der Bühen abspielte).