Freitag, 20. Februar 2009
"Die Kunst des DJings, die sie entscheidend mitbegründet haben, hat sich allerdings in den letzten Jahren grundlegend verwandelt. Wie haben Sie reagiert als sie zum ersten Mal einen DJ ohne Plattenkoffer trafen?



Ich war perplex. Das war vor drei oder vier Jahren. Ich hatte gerade meinen Soundcheck hinter mir, als der nächste DJ dran kam. Ich fragte ihn: Sohn, wo sind Deine Schallplatten? Er sagte: Grandmaster, meine Platten stecken in meinem Laptop, in dieser kleinen Kiste. Ich dachte, der hält mich für blöde. Also hab ich ihn noch mal gefragt. Aber er blieb dabei, baute seinen Laptop auf und zeigte mir seine Dateien. Das sind MP3s, sagte er. ..... ich kam mir vor wie ein Zurückgelassener. Ein blödes Gefühl, als wäre man ein Auslaufmodell."

DJ-HipHop-Legende Grandmaster Flash im Interview in der taz. Lesen!

Foto: pixxiestails auf flickr

Und falls jemand nicht wissen sollte (oder es inzwischen wieder verdrängt oder vergessen hat), welche besondere Rolle Grandmaster Flash mit seinen Furious Five in der Musikgeschichte einnehmen - hier eine geniale Aufzeichnung eines Auftritts vor inzwischen 25 (in Worten: fünfundzwanzig) Jahren. Hier atmet Musikgeschichte!!!

"Its like a jungle sometimes, it makes me wonder
How I keep from goin under"







Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre der afrikanische Reggae in einer kleinen Krise. Die prominentesten Heroen der ersten Stunde sind entweder gestorben (Lucky Dube aus Südafrika) oder in einer längeren Schaffenskrise - vom letzten Album Alpha Blondys (dem zweiten ""Begründer" des afrikanischen Reggae) ist mir allenfalls die nette Pink Floyd-Coverversion von "Wish you were here" in Erinnerung geblieben, der Rest war in meine Ohren gepflegte Langeweile.....

Man kann zwar immer mal wieder in Reggae- oder Weltmusik-Webseiten von neuen afrikanischen Reggaemusikern lesen, eine intensivere Beschäftigung offenbart aber dann in den allermeisten Fällen (Seyni & Yeliba aus Guinea könnte da eine löbliche Ausnahme bilden) eine ziemliche Enttäuschung - zu oft klingt das nach billigen Bob-Marley-Kopien ohne jegliche individuelle Note

So wäre der afrikanische Reggae wahrscheinlich ein längst vergessenes musikalisches Genre (falls man dies "Genre" nennen kann) - wäre da nicht Tiken Jah Fakoly. Der Mann von der Elfenbeinküste hat sich mit seinen inzwischen 6 Studioalben internationales Renommee und Anerkennung erworben. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch seine kompromisslose politische Haltung, mit der er nicht nur die Regierungen der Elfenbeinküste und anderer afrikanischer Staaten kritisiert, sondern auch die äußerst zwielichtige Rolle der europäischen Staaten anprangert. Ob Globalisierung oder Flüchtlings Abschottungspolitik - Tiken Jah Fakoly versteht es wie kaum ein anderer, die Probleme eines fast vergessenen Kontinents wieder zum Vorschein zu bringen. In einem Interview vor einigen Jahren mit dem Reggaemagazin riddim.de fragte er "Ist Europa reif für Demokratie in Afrika? - ein Satz, über den man angesichts der seit Jahrzehnten sich kaum verändernden Situation in Afrika länger nachdenken sollte. Natürlich sind viele Probleme in Afrika hausgemacht, doch wer finanziert die korrupten Politiker, wer liefert die Waffen für die unzähligen Bürgerkriege, wer macht Geschäfte mit korrupten Regierungen und wer sieht weg, wenn grundlegende Menschenrechte verweigert werden. Oder wie Tiken Jah in dem Interview weiter ausführt, "(die Probleme) ...für die Bewohner dieses geplünderten Kontinents sind so offenkundig und unübersehbar, dass es kaum den Anschein hat, als sei irgendjemand reif für Demokratie in Afrika... "



Doch bei aller Streitlust und Ernsthaftigkeit in seinen Texten ist sein Auftreten und seine Musik immer auch von einer gewissen Locker- und Lässigkeit gezeichnet - er wirkt nicht so, als würde er an seinen sicherlich für ihn frustrierenden Einschätzungen zerbrechen können. Das unterscheidet ihn in meinen Augen z.B. von Femi Kuti, der zweiten großen politischen Stimme des musikalischen Afrikas. Doch darüber vielleicht an anderer Stelle etwas mehr, wenn ich dazu kommen sollte, das letzte Album des Nigerianers zu besprechen....

Im Laufe der letzten Jahre ist es Tiken Jah Fakoly gelungen, mit seiner Interpretation des afrikanischen Reggaes viele neue Anhänger und Freunde zu gewinnen. Nicht nur, aber auch und vor allen Dingen in Frankreich. Paris ist eben immer noch die wichtigste Adresse für afrikanische Musiker, die außerhalb ihres eigenen Kontinents ihre Musik verkaufen wollen. Aus Paris kommt daher auch der Konzertmitschnitt seiner Live-CD - und man hört schon zu Beginn, dass Tiken Jah Fakoly hier auf eine enthusiastisierte Fangemeinde trifft, die textsicher alle Songs mitsingen kann und bereit ist, gemeinsam mit Sänger und Band eine große Party zu feiern. Das fängt schon beim Opener der CD an - ein Medley, bei dem Tiken Jah Fakoly überhaupt nicht mitwirkt und die verschiedenen Tracks von Backgroundsängerinnen und Publikum gesungen werden. Und auch der Rest ist gekennzeichnet durch gute musikalische Darbietungen von Band und Sänger sowie vielstimmiges Mitsingen im Publikum - und dieses stimmungsvolle Zusammenspiel ist hervorragend auf der CD eingefangen worden. Und spätestens bei der eindrucksvollen Hymne "Ouvrez les frontieres" fragt man sich ein wenig aufgeputscht durch die tolle Atmosphäre, ob Musik die Welt nicht doch verändern kann - zumindest wünscht man sich das in diesen Momenten.....

Tiken Jah Fakoly - Live à Paris ist ein Album, welches man sich häufiger wünscht. Die Balance aus eingefangener Stimmung und musikalischer Klasse ist perfekt, die Songauswahl stimmig - viel besser kann ein Live-Album nicht werden! Maximum Respect!!!!

Tiken Jah Fakoly Homepage
Tiken Jah Fakoly auf myspace

Foto: Damian Rafferty für flykr auf flickr

Das nachfolgende Video ist wohl identisch mit den ersten beiden Songs des Live-Albums.