Bayrische Volksmusik war für mich in der Vergangenheit keine Musik im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Aneinanderreihung von nervenden Geräuschen. Mag sein, dass es mit schädlichen Einflüssen in meiner Kindheit zu tun hat - aber deutsche Volksmusik habe ich immer als nur schwer zu ertragenden Schrott empfunden. Das hat sich auch nicht geändert, als ich mich zunehmend für Weltmusik zu interessieren begann - deutsche Interpreten, die heimisches Liedgut in welcher Form auch immer bearbeiten, sind bis auf wenige Ausnahmen in meiner Plattensammlung nicht vertreten.

Eine dieser Ausnahmen ist das Debut der bayrischen Band LaBrassbanda, welches ich vor einigen Wochen hören durfte und mich ziemlich begeistert hat. Diese Mischung aus bayrischer Blasmusik, Brass, Ska und noch vielem mehr ist genau das, was ich mir unter "deutschem Mestizo" gerne vorstellen möchte. Endlich mal nicht dieser kommerziell verpoppte Musikantenstadl, sondern groovender krachledernder Blasmusikpunk....

Als ich dann vor einigen Wochen die Werbeankündigung des Samplers "Obacht! – Musik aus Bayern" überflog, hoffte ich auf eine ähnliche Glanzleistung, wie sie LaBrassbanda geleistet haben. Veröffentlicht wird die CD von Galileo, die sich bisher schwerpunktmäßig mit dem Vertrieb von spanischer Musik einen Namen gemacht haben - unter anderem haben sie Platten der von mir sehr geschätzten La Papa Verde oder La Pegatina herausgebracht. Die Kritiken der versammelten Rezensenten war weitgehend voll des Lobes, man schrieb, dass auf der Platte "kraftvoll, schmissig und mit rauen, aber hörbar geübten Stimmen" gesungen wird und sie geeignet sei, "Vorurteile gegenüber alpiner Volksmusik abzubauen bzw. Berührungsängste mit ihr zu nehmen" Also denkbar gute Voraussetzungen für eine gute und hörenswerte Platte....

Leider erfüllte sich meine Erwartung überhaupt nicht. Denn das, was ich dort zu Hören bekam, war schlicht und ergreifend traditionelle bayrische Volksmusik. - und damit für mich nur schwer zu ertragen. Zwar erkenne ich durchaus einige Unterschiede zwischen der Musik auf "Obacht!" und den kommerzialisierten volkstümlichen Schlagern, die man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei den entsprechenden Sendungen vorgesetzt bekommt und was dort als authentische Volksmusik verkauft wird. Aber beim Hören der Platte erwarte ich jeden Moment, dass Caroline Reiber oder Herr Silbereisen auftauchen und was von "pfundige Buabn" brüllen und dann als nächsten Gast Marianne und Michael ankündigen.und alle (mich eingeschlossen) zum zünftigen Mitschunkeln einladen. Das ist dann der Zeitpunkt, an dem ich schnellstmöglichst eine andere Platte auflege....

Infolge dessen habe ich es bisher auch nicht geschafft, die Platte auch nur einmal komplett zu hören. Mir fehlt leider die Unvoreingenommenheit, die Geduld, das Ohr oder was auch immer, um die Unterschiede zwischen echter Volksmusik und Musikantenstadl entsprechend würdigen und anerkennen zu können.

"Obacht! – Musik aus Bayern" ist vielleicht eine interessante Quelle für Freunde ethnologischer Musikentdeckungen, ich kann damit leider nur wenig (noch) nichts anfangen...

Foto. Quasimondo auf flickr