Mittwoch, 21. Mai 2008
Letzte Woche Montag im Kulturausbesserungswerk:

Ein Radioreporter von WDR Funkhaus Europa hat einmal über die Band gesagt, dass bei ihrer Musik zwischen Melancholie und Party oft nur ein Wimpernschlag liegt - eine Beschreibung, die die Qualität von Ma Valise zutreffend beschreibt.

Meine Sorge, dass die Band vielleicht nicht den Geschmack des traditionell doch sehr uneinheitlichen Publikums im KAW treffen würde, erfüllte sich glücklicherweise nicht. Denn erstens glänzte die Jungspundfraktion leider fast völlig durch Abwesenheit und der verbleibende Rest von älteren Herrschaften amüsierte sich nach kurzer Eingewöhnungsphase königlich. Ich habe selten so viele Besucher strahlen und begeistert mitgehend gesehen - Ma Valise schafften es spielend, das Publikum völlig für sich einzunehmen und zu verzaubern. Leider hatten nur etwa 80 Besucher den Weg ins KAW gefunden, was aber angesichts des herrlichen Pfingstwetters dann doch kein kompletter Reinfall war und den Anwesenden zumindest genug Platz zum Sich-Bewegen gab.

Die 5 Musiker (Gitarre/Schlagzeig/Kontrabass/Akkordeon und Tuba) sind auf ihren Alben (zumindest den beiden letzten - ihr Debut kenne ich leider nicht) schon nett anzuhören - live sind sie noch einmal um Klassen besser. Sie schaffen es, eine sehr französische Musik zu zelebrieren und gleichzeitig deutliche Einflüsse aus fast allen Teilen dieser Erde (Balkan/Afrika/Karibik) einfließen zu lassen. Diese Melange ist äußerst vielseitig und absolut tanzbar, wovon fast das gesamte Publikum ausgiebig Gebrauch machte.

Nach 2 Stunden und diversen Zugaben hatten weder Band noch Publikum genung und es gab noch eine längere Unplugged-Session mitten im Publikum plus erneute Zugaben auf der Bühne. Ein phantastischer Abend mit einer super-sympathischen und extrem spielfreudigen Band.

Merci Ma Valise!!!



"Balkan-Pop ist mehr als ein Modetrend, es ist die größte musikalischen Revolution seit Punk-Rock in den 70-ern"

Shantel in bild.de vom 16.05.08

Eigentlich wollte ich die Bild in diesem Blog niemals zitieren, aber diese Selbstüberschätzung des Frankfurter DJs kann ich nicht unerwähnt lassen.....(was nicht heissen soll, dass ich die Musik Shantels nicht schätze, aber unter musikalischer Revolution verstehe ich etwas anderes als die "gnadenlose" Verviertelung der ursprünglich komplizierten Balkanrhythmen)



Montag, 19. Mai 2008

"Der Text von "Politik kills“ ist jedenfalls unfassbar einfältig, grob verkürzend und stets so plakativ, dass man bei der zweiten Wiederholung des Refrains ohne Nachzudenken in einen mechanischen Singsang fällt. Wobei dieser Song in seiner plakativen Involviertheit eh alles andere im Sinn hat, als aufzurütteln oder Probleme zu benennen." (Florian Schneider auf Tonspion)

Ich muss zugeben, dass auch ich anfangs einige Schwierigkeiten mit dem Stück "Politik kills" von Manu Chao hatte, (auch wenn ich die "Kritik" von Florian Schneider für völlig überzogen und niveaulos halte - insbesondere, wenn er im weiteren Verlauf Manu Chao für einen Scharlatan hält, der sich an "der Einfältigkeit und den Gewissensbissen" seines Publikums bereichert. Aber es ist schon interessant zu lesen, wie der auch von mir sehr geschätzte "Widerstands-Poser" von anderen gesehen wird.) . Auch mir war der Text etwas zu simpel und plakativ und so gehörte das Stück für mich lange zu den eher schwächeren Liedern auf der CD. Umso verwunderter war ich, als ich vor einiger Zeit irgendwo las, dass "Politik kills" die zweite Singleauskoppelung aus der CD "La Radiolinea" werden würde. Zu diesem Zweck hatte Manu Chao neben seiner Homepage eine spezielle Webseite für das Promoten dieses Songs eingerichtet.

Besonders interressant für die Besucher ist, dass Manu Chao die einzelnen Tonspulen des Songs zum kostenlosen Download bereitstellt (Zip-Archive mit 550 MB) und dazu aufruft, Remixe des Songs herzustellen und diese wieder auf die Homepage zu laden. Dort sind inzwischen auch über 20 Remixe zu hören und ein Remix von Dennis Bovell mit Linton Kwesi Johnson steht zum kostenlosen Download bereit. Noch besser gefällt mir der Mix von Prince Fatty, den mal auch mal irgendwo kostenlos runterladen konnte (das war leider befristet und in meiner bloglustlosen Zeit) - in der Version kann "Politik kills" noch zu meinem persönlichen Manu-Chao-Lieblingssong werden - zumal ich mich inzwischen auch an den Text "gewöhnt" habe und finde, dass man den ganzen Mist, der überall passiert und der von der Politik produziert wird, nicht unbedingt immer literarisch-künstlerisch bis zur Unkenntlichkeit umschreiben muss........



"politik use drugs
politik use bombs
politik need torpedoes
politik needs blood

thats what my friend is an evidence politik is violence
what my friend is a evidence politik is violence

Politik kills "





Samstag, 17. Mai 2008
Statt vieler eigenen Worte:

"Dutzende Bewohner des heruntergekommenen Stadtteils Ponticelli zogen am Montagabend vor die fünf Roma-Barackenlager des Viertels; in der Nacht flogen die ersten Molotow-Cocktails. Zu erneuten Ausschreitungen kam es am Dienstag, als sich mehrere hundert mit Knüppeln, Eisenstangen und Steinen bewaffnete Bürger vor den Camps einfanden. Die Pogrome fanden auch im Fernsehen statt. Ein zur Berichterstattung angerücktes Kamerateam des italienischen Staatssenders RAI war vor ein Lager gezogen, um für die Sendung "Leben live" über den "Unmut der Anwohner" zu berichten - und die nutzten ihrerseits die Gelegenheit, ganz Italien live an ihrem Pogrom teilhaben zu lassen: Erst durften die braven Bürger ihre Hassparolen in die Kameras sprechen und dann ihrem Hass freien Lauf lassen. Am Ende wurden drei Camps und ein leer stehendes, in letzter Zeit von Roma besetztes Gebäude abgefackelt."

Michael Braun in der taz vom 15.05.08


Dem Stück Fattalla' stellen Almamegretta voran: ???Fattalla' ist das was Menschen gesagt wird, die aus Afrika oder Asien hierher kommen um ein bisschen legitimes Glück zu finden nachdem das zivilisierte Europa ihnen ihre Heimatländer verwüstet hat. Alles was diesen Menschen gesagt wird ist Fattalla'. Fattalla' bedeutet im Neapolitanischen... Verschwinde!“

Wikipedia über "Fattalla'! von Almamegretta




Sonntag, 11. Mai 2008
Selten habe ich solche Schwierigkeiten bei der musikalischen Einordnung einer Platte so viele Schwierigkeiten gehabt wie bei der CD "Maya Ye!" von Ma Valise. Denn Ma Valise ist eine jener Bands, die ohne Rücksicht auf musikalische Traditionen alle möglichen Arten von weltmusikalischen Genres in ihre Stücke packen - Hauptsache, der Rhytmus gefällt ihnen. Da reiht sich Balkan-Brass an afrikanischen Melodien und die karibische Rhythmen verbinden sich mit französischer Musette. Bei so einer musikalischen Vielfältigkeit werde selbst ich erst einmal stutzig, erinnert mich eine solche Mischung doch an die vielen gruseligen Weltmusikbands, die in den achtziger Jahren bei fast jeder Abschlusskundgebung unzähliger Demonstrationen auf der Bühne auftauchten und Musik aus allen politisch interessanten Landern dieser Erde zum Besten gaben. Da wechselten sich südamerikanische Revolutionslieder an kurdische Balladen und wurden schließlich von afrikanischen Kreistänzen abgelöst. Und junge Frauen und Männer mit langen Haaren und wallenden Kleidern bewegten verzückt ihre Augen und Körper zu den politisch so wichtigen, musikalisch aber unterirdischen Klängen........

Doch Ma Valise unterscheiden sich glücklicherweise deutlich von den grauenvollen Mischungen, die ich aus längst vergangenen Tagen in Erinnerung habe. Denn erstens sind es weniger politische denn musikalische Gründe, die bei der Liedauswahl eine Rolle spielen. Zum anderen verstehen es Ma Valise sehr genau, die Melodien und Rhythmen verschiedenster Kulturen auszuwählen, die zu ihrem musikalischen Gesamtkonzept passen. Und so ist das Album Maya Ye! bei aller Vielseitigkeit dorch erstaunlich stimmig und ausgewogen. Das mag vielleicht daran liegen, dass die Gruppe doch bei aller Internationalität ihre Wurzeln deutlich in Frankreich hat und das Akkordeon eines der bestimmenden Instrumente auf der CD ist.

Ma Valise kommen aus dem Weinanbaugebiet südlich von Nantes - um exakt zu sein aus Clisson - und spielen seit 1999 unter diesem Namen zusammen. Der Name der Band spiegelt nicht nur die Reiselust der Gruppe wider (Konzerte in Deutschland, England, Bosnien, Marokko), sondern schlägt sich auch in dem oben beschriebenen einzigartigen Musikstil nieder. Aber nicht nur musikalisch wird der Koffer gepackt, auch die Texte der Lieder sind mehrsprachig. So singen Ma Valise neben französisch, auch in englisch, rumänisch, creolisch und spanisch. Kritisch werden in den Texten die gesellschaftlichen Verhältnisse hinterfragt und auf Mißstände hingewiesen. So ist z.B. der Song "Chant des sans" allen gewidmet, die zu den VerliererInnen dieser globalisierten Welt zählen.

Insgesamt ist Ma Valise eine jener vielen neuen französischen Bands (neben Leoparleur, Les Blerots de Ravel, Les Grosses Papilles u.v.a.), die einen Weg gefunden haben, den französischen Chanson mit Elementen aus anderen Kulturen zu bereichern. Und anders als ihre spanischen Kollegen, die traditionell eher den musikalischen Blick gen Mittel- und Südamerika gerichtet haben, sind es afrikanische und karibische Einflüsse, die ein multikulturelles Frankreich prägen und die von den neuen Bands aufgegriffen werden. Heraus kommt Musik, die die französische Musikkultur mit neuen Elementen bereichert - und die man immer mal wieder hören möchte.......


Foto: Pressefoto Ma Valise von Philippe Lambert

Ma Valise Homepage
Ma Valise auf myspace



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