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Aber die Versuche einer Recherche sollen nicht ganz umsonst gewesen sein, also mache ich mich an eine Rezension des Albums "Amore vero" von Brusco, der lange Zeit Mitglied und MC in der Villa Ada Crew gewesen ist.
Italienischer Reggae ist hier in Deutschland relativ unbekannt, kann aber schon auf eine lange Tradition zurückblicken und hat sich inzwischen in eine eigene, spezielle "Italienische" Richtung entwickelt. Charakteristisch für Reggae aus Italien ist die Sprache - sehr viele Bands und Soundsysteme singen auf italienisch oder in einem regionalen Dialekt - und insbesondere im Dancehallbereich die stärkere Fokussierung auf Melodien statt auf virtuose Übergänge oder Mixes.
Reggae in Italien war immer ein Bestandteil der autonomen sozialen Bewegungen in Italien. Als in den neunziger Jahren im ganzen Land unzählige Häuser und Fabrikhallen besetzt und zu sozialen Zentren umfunktioniert wurden, entstanden in vielen der "Centri sociali" Bands und Soundsysteme, die sich als musikalisches Sprachrohr der Bewegung ansahen und entsprechend politisierte Musik machten. Während im Norden eher Rap und HipHop als musikalischer Träger für die Botschaften benutzt wurde(Isola Posse / Sangue Misto /Red Horse Posse) bevorzugten Gruppen aus dem Süden eher Reggae und Dancehall (99 Posse / Sud Sound System). In Rom als Hauptstadt und Bindeglied zwischen Nord und Süd bildeten sich beide Richtungen zu anerkannten Vorreitern der Szene. Assalti Frontali sind seit 1990 (damals unter dem Namen Onda Rosse Posse) eine der besten und bekanntesten HipHopformationen innerhalb der autonomen Szene und die Villa Ada Crew und Radici nel Cemento gehören zu den bekannteren Reggae/Dancehall Formationen am Stiefel. Die starke Politisisierung machte es erforderlich, die Botschaften auf Italienisch zu singen, es wäre Unsinn, den potenteillen Zuhörern, die mangels Tonträger die Songs oft nur einmal (live) erlebten, mit fremdsprachlichen Gesang zu konfrontieren. Heute ist von der Politisierung der Gesellschaft nicht mehr soviel übrig geblieben und die ehemaligen Sprachrohre der Bewegung widmen sich auch anderen Themen wie z.B. der wahren Liebe ("Amore vero") - aber weiterhin auf italienisch...
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Was mir an der Paltte von Brusco gefällt, ist die ungewöhnlich poppige Gestaltung der Tunes. Gerade mich, der mit jamaikanischen Dancehall nicht soviel anfangen kann, lassen Songs wie "Sangue", "Amore vero" verzückt mit den Füßen wippen (und wenn ich mich unbeobachtet fühle, meine Hand rhythmisch schwingen). Das ist kein Pop im klassischen Sinne, sondern eher eine stärkere Betonung der Melodien im Reggae/dancehall. Was mir beim jamaikanischen Dancehall überhaupt nicht gefällt, ist diese Splittung in entweder martialischen Sounds oder kitschigen Ausflügen in das RnB-Genre. Die Sachen, die ich aus Italien kenne, liegen da angenehm irgendwo in der Mitte. Aber vielleicht liegt meine Vorliebe für Brusco auch nur an der italophilen Seite meines Ichs.....
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