Donnerstag, 14. Februar 2008
Karamelo Santo ist schon eine tolle Band. Ihre Platten zeichnen sich durch einen gelungenen Mix von unterschiedlichen Musikrichtungen aus. Ska, Cumbia, Reggae, Rock, Salsa und all das, was gute Mestizo-Bands auszeichnet. Was mich aber beim ersten Hören immer besonders gefesselt hat, waren die auf allen Platten vertretenen Coverversionen. Während ich auf dem 2002 Album Los Guachos die Laurel Aitken-Version im Original überhaupt nicht kannte, hatte ich beim Hören des Songs "Fruta amarga" auf dem Album "Hacienda Bulla" sofort das Gefühl, dass ich den Song irgendwoher kenne. Aber alle Versuche, das Original zu ermitteln, scheiterten kläglich (ich gestehe: ich hatte die CD von einem Freund gebrannt bekommen und daher keine Infos über den Originalinterpreten). Ich bin fast bekloppt geworden, der Titel war mir so bekannt und doch konnte ich ihn nicht zuordnen.



Eine Rezension auf der Webseite der (übrigens ausgezeichneten) Plattenfirma "Übersee Records" bracht mir dann endlich den Seelenfrieden zurück. Little Steven hatte den Song 1985 als "Bitter fruit" erstmals veröffentlicht - der ehemalige Gitarrist von Bruce Springsteen hatte mich mit seiner Band "The Disciples of Soul" bei einem Rockpalast-Auftritt so nachhaltig beeindruckt, dass ich mir diverse Platten vom ihm besorgt hatte (Jetzt habe ich gelesen, dass Steve van Zandt, der damals unter dem Namen Little Steven unterwegs war, auch bei der von mir sehr geschätzten Fernseh-Serie "The Sopranos" mitgespielt hat - Welt, was bist du klein...) Zurück zu Karamelo Santo!

Auf ihren Album "La gente arriba" covern sie das Stück "Papa Noah" von Seeed so gut, dass ich das Original seitdem verschmähe und nur noch die argentinische Version höre - und den alten Armstrong-Klassiker "Wonderful World" verwandeln sie in eine so schnuckelige Cumbia, die auch den abgehärteten und sarkastischen Zyniker die Füße wippen und ein kleines Lächeln entlocken lässt......

Jetzt ist mit Antena Pachamama ihr inzwischen siebtes Album erschienen - und wieder mit einer Coverversion. Doch es ist schon ein Unterschied, ob man Interpreten wie Little Steven oder Seed covert oder sich an den großen Meister des Reggaes, Bob Marley himself, wagt. "So much Trouble in the world" ist dann auch leider bei weitem nicht so gelungen wie die vorherigen Versuche.
Das ist aber auch der einzige kleine Wermutstropfen, den die neue CD zu bieten hat. Ansonsten ist "Antena Pachamama" für mich eines der besten Karamelo Santo Alben, was etwas heißen will, da ich auch schon die vorherigen Platten gerne und oft gehört habe. Ihre Mischung aus rockigeren Tönen und eher tanzorientierten Rhythmen überzeugt mich auch beim x-ten Hören. Insgesamt orientieren sie sich im Vergleich zu der vorherigen CD wieder stärker zu Skarhythmen - eine Entwicklung, die der Band durchaus guttut. Denn diese Mischung aus schnellerem (No anda / Hitler en el radio) und melodischem Ska (Hoy), aus folkloristischen (La culebra del amor) und cumbialastigen Melodien (La Piedra en el agua), aus an Manu Chao (Refugees) oder Los de Abajo (Noche de Putas) erinnernden Stücke machen aus der CD eine vorzügliche Produktion und wecken den Wunsch nach einem Liveerlebnis mit den argentinischen Rastas.

Denn live gehören die heiligen Bonbons aus der argentinischen Weinstadt Mendoza seit längerem zu den angesagtesten Vertretern des südamerikanischen Mestizos. Da wird den bewegungsfördernden Elementen ihrer Musik ein klarer Vorzug gegenüber filigranem Melodienspiel gegeben und so treiben die Blas- und Schlaginstrumente den Beat immer wieder treibend nach vorne. Da wird dann jeder, der nicht zu der klassischen Konzertfraktion der "Mit-Beiden-Füßen-Fest-Auf-Dem-Boden-Stehenden" gehört, sich irgendwann zu den Rhythmen treiben lassen und am Ende schweißgebadet, glücklich und mit erheblicher Erkältungsgefahr den Heimweg antreten......
Ich habe die Band 2003 bei einem improvisierten Open-Air Auftritt an Kölns Rheinufer gesehen - als Bühne diente ein kleiner LKW, der immer dann, wenn die Band so richtig abging (und das war fast immer) derart schaukelte und wackelte, dass um den Wagen herum sämtlicher Staub in meterhohen Fontänen die zahlreichen Besucher einnebelte. Insgesamt war das Konzert schon ein imposantes Erlebnis und hat seitdem bei mir den Wunsch geweckt, die Band ein weiteres Mal live zu erleben.....

Antena Pachamama ist ein richtig gutes Album geworden. Auch wenn das Jahr noch ziemlich jung ist und sicherlich noch einige tolle Alben hervorbringt, so hat die CD von Karamelo Santo gute Chancen, in meiner Jahresbestenliste des Jahres 2008 wieder aufzutauchen...

Foto: El TeRcEr OjO (DIGITAL) auf flickr

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Mittwoch, 23. Januar 2008
Kaum ein Sänger verbindet die Attribute Genie und Wahnsinn für mich so glaubwürdig wie der algerische Rai-Musiker Rachid Taha. Will man ihn live erleben, muss man sich darauf einstellen, einen Sänger auf der Bühne zu erleben, der schon einiges an Alkohol und bewußtseinserweiternden Drogen intus hat. Ich habe ihn im Abstand von 15 Jahren zweimal live erlebt - beide Male habe ich mich während des Konzerts ständig gefragt, ob ich die Leistung Tahas, ziemlich zugedröhnt das Konzert durchzuhalten, als eine herausragende Leistung oder dreiste Verarschung des Publikums ansehen sollte. Ich habe mich beide Male für die erste Alternative entschieden, weil Rachid Taha trotz reichlich wackeligen Beinen in der Lage war, seine Songs gekonnt zu präsentieren und eine gute Stimmung zu erzeugen.

Immer geht das aber nicht gut (siehe das Video von einem Konzert in Finnland, bei dem er vollkommen betrunken auf der Bühne liegt und von einem Roadie wieder hoch gehoben werden muss)

Andererseits war er (nüchtern) Protagonist des wohl bedeutendsten Live-Ereignisses im Bereich des Rai, als er 1998 gemeinsam mit Khaled und dem jungen Faudel in Paris-Bercy ein umjubeltes Konzert gab. Die Doppel-CD "1,2,3...soleil" gibt ein gutes Zeugnis dieser grandiosen Veranstaltung der "drei Tenöre des Rai" ab.

Rachid Taha ist unbestritten einer der vielseitigsten und innovativsten Musiker dieser arabischen Musikrichtung. 1958 in Algerien geboren, kommt er als Kind nach Frankreich. In Lyon gründet er die Band "Carte de Sejour", mit der er recht erfolgreich ist. Als musikalisches Aushängeschild der Bewegung "SOS-Racisme - Touche pas à mon pote !" prangern sie früh Rassismus und Diskriminierung in Frankreich an.

1989 löst sich die Band auf und Rachid Taha beginnt seine Solokarriere. Er arbeitet viel und gerne mit Steve Hillage zusammen, einem englischen Musiker und Produzenten, der sich nach seiner Zeit als Gitarrist der Hippie-Rock-Band "Gong" zunehmend mit elektronischen House und Techno-Beats beschäftigt. Als Folge der Zusammenarbeit entstehen mehrere Alben, in denen Taha den Rai mit Rock und Houseelementen verbindet und dem Genre neue Impulse verleiht. So covert er beispielsweise den alten Clash-Klassiker "Rock the Casbah" oder unterlegt den Song "Indie" mit pulsierenden House-Beats.

Dabei verliert er aber nicht den Bezug zu seinen Wurzeln und seine Musik verkommt nie zu folkloristisch angehauchten Technostücken, sondern der Rai ist immer die Basis und wichtigster Bestandteil seiner musikalischen Expeditionen. Ausdruck seiner Verwurzelung in alte algerische Musiktraditionen sind auch seine beiden "Diwan"-Alben, auf denen er alte Klassiker und uns weitestgehend unbekannte Lieder neu einspielt. Den Song "Ya Rayah" bringt er so beispielsweise zu neuem Glanz und Ruhm.

Jetzt ist mit "The Definitive Collection 2007" eine vorzügliche Compilation auf dem Markt, die das vielfältige Schaffen Rachid Tahas umfassend würdigt. Wer sich mit dem "Rebellen des Rai" musikalisch näher auseinandersetzen wil, für den ist diese Platte der ideale Einstieg. Zwar fehlen Lieder aus der zweiten Diwan-Platte, das trübt den positiven Gesamteindruck aber nur unwesentlich.

Fotos: retorta_net auf flickr

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Sonntag, 20. Januar 2008
Irgendwie scheint der diesjährige Januar der Monat meiner Vergangenheitsbewältigung zu werden.

Zuerst erlebe ich eine "Enttäuschung" beim Hören des Best-of -Album von Gianna Nannini (siehe hier). Dann besorge ich mir die "World Hits" Compilation von Putumayo und stelle mit Erschrecken fest, dass es inzwischen auch die Sparte der Weltmusik-Oldies zu geben scheint (davon später mehr).

Und schließlich erlebe ich mit dem letzten Album des Berliner Reggaemusikers PR Kantate eine weitere Reise in meine musikalische Jugend. Der Plattenreiter (daher das PR im Namen) hat sich einige "Perlen" der neuen deutschen Welle und des Eighties Pop ausgesucht und sie mit Reggae- und Dancehallrhythmen und teilweise auch mit neuen Texten versehen. So wird aus Rio Reisers "Konig von Deutschland" der "König von Kreuzberg" und der wunderbar-gruselige Umweltsong "Karl der Käfer" von Gänsehaut" (siehe hier) wird mit leicht verändertem Text zur abgedrehten THC-Hymne "Karl der Kiffer". Aber auch die textlich nahezu unverändert gelassenen Coverversionen haben ein gewaltiges Lifting über sich ergehen lassen müssen. "Blueprint" von den Rainbirds wird zu einem groovenden Afro-Beat, Trios "Da da da" bekommt einen Calypso-Rhythmus und auch der Drachen von den Puhdys wird mit einer völlig neuen musikalischen Begleitung steigen gelassen. Die Krönung ist aber der Song "U Me Heart" - eine lässig relaxte Version des Modern-Talking-Klassikers "You're my Heart". Neben diversen weiteren gecoverten Songs (Blaue Augen / Safety Dance als Acoustic Reggae-Version mit Blockflöte, etc) gibt es noch einige eigene Songs, die aber wie "In Balin" oder "Görli,Görli" auch schon älteren Datums sind und sich musikalisch nahtlos in die Coverversionen einfügen.

PR Kantate bringt das Kunststück fertig, aus schlechten (Modern Talking!!) oder eigentlich ausgelutschten Klassikern der Achtziger Jahre wieder kleine Juwelen zu machen. Auch wenn sich beim Hören der gesamten CD nach einiger Zeit eine gewisse Ermüdungseffekt einstellt, ist fast jeder Song für sich alleine genommen absolut hörenswert und eine wunderbare Alternative zur immer mehr nervenden NDW-Revival-Welle.

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Freitag, 11. Januar 2008
Jetzt muss ich doch noch etwas zur Ehrenrettung von Gianna Nannini beitragen. Bereits vor einiger Zeit hatte ich mir nämlich die CD "Perle" besorgt. Wie "GiannaBest" ist auch "Perle" ein Best-of Album. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine einfache Zusammenstellung der alten Hits, vielmehr hat Gianna Nannini hier ihre schönsten Lieder neu interpretiert und eingespielt. Das sie dabei auf die klassischen Rockinstrumente verzichtet und größtenteils nur von Klavier und Streichquintett begleitet wird, ist nicht neu in der Rockgeschichte - und häufig kam dabei ein ziemlicher Schrott heraus. Man denke nur an das unsägliche "Night of the proms" und andere Versuche, Rock- oder Popmusik klassisch zu vertonen.

Bei Gianna Nannini kann man den Versuch aber durchaus als gelungen bezeichnen. Die Musik wird nie zu schmalzig und gediegen und die hier viel stärker im Vordergrund stehende rauhe Stimme der Italienerin verleihen den Songs neuen Schwung und Glanz. Auch wenn nicht alle Interpretationen hundertprozentig gelungen sind, so beschert die Platte doch einen recht ausgiebigen Hörgenuss - ein Fakt, der "Perle" wohltuend von "GiannaBest" unterscheidet.....



Mittwoch, 9. Januar 2008
Melancholische Ausflüge in die eigene Vergangenheit enden häufig mit einer ziemlichen Enttäuschung. Diese Weisheit hatte ich warnend im Hinterkopf, als ich die Anschaffung des neuen Best of Albums von Gianna Nannini in Erwägung zog. Einige ältere Songs, die ich vor Wochen zufällig im Radio oder im Internet gehört hatte, bestätigten eher meine Befürchtung. Doch konnte ich trotz aller Bedenken die Finger dann doch nicht von der Platte lassen. Schließlich gehörte Gianna Nannini für mich früher zu den wenigen italienischen Interpreten, die glaubwürdig aufzeigten, dass es in Italien auch Musik jenseits von den allgegenwärtigen Toto Cotugno, Al Bano & Romina Power und anderen San Remo Schlagersternchen gab. Gianna Nannini stand für gute zeitgemäße Rockmusik.- sowohl im Studio als auch live - ein Konzertbesuch vor vielen Jahren in der alten Kölner Sporthalle ist mir heute noch in angenehmer Erinnerung.

Jetzt habe ich die Doppel-CD zweimal durchgehört und frage mich irritiert, was ich damals für einen verkitschten Scheiss gehört habe. Songs wie "Scandalo" oder "Latin lover", die damals zu meinen Lieblingsliedern gehörten, erzeugen heute nichtssagende Langeweile. Noch schlimmer ist es bei "Porfumo" oder "Bello e impossibile", deren innovativer "Elektronik-Sound" heute nur noch ein gruselndes Erschauern hervorrufen. Lediglich bei "America" und mit Einschränkung "California" kann ich meine damalige Begeisterung nachvollziehen - aber um den Kauf einer Platte zu rechtfertigen, bedarf es eigentlich mehr als eineinhalb vernünftige Lieder.

Aber eigentlich wusste ich es ja vorher: Melancholische Ausflüge in die eigene Vergangenheit enden häufig mit einer ziemlichen Enttäuschung.......

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Montag, 26. November 2007
Wenn ich die spärlichen Hinweise im Internet mit meinen noch spärlicheren Französisch-Kenntnissen richtig verstanden habe, dann handelt es sich bei Origines Contrôlées eigentlich um ein Kulturfestival in Toulouse. Seit 2004 findet es jährlich statt und thematisiert die politischen und kulturellen Bedingungen, unter denen die (überwiegend maghrebinischen) Einwanderer leben. Organsiert wird das Festival vom Tactikollectif - einer Gruppe in Toulouse aus dem Umfeld der legendären Zebda.

Zebda ist wohl die französische Band, welche am stärksten den Gedanken des Mestizo auf französische Verhältnisse übertragen hat und mit ihrer Fusion aus Rock, HipHop, algerischer und kabylischer Musik und starkem politischen Engagement wegweisend für viele Bands (auch in Spanien) waren. Leider machen sie als Gruppe seit 2003 eine schöpferische Pause und die Mitglieder der Band widmen sich diversen Soloprojekten. Niemand (ausser die Band selber) weiß, ob es irgendwann einmal eine Fortsetzung der Band Zebda geben wird. Das Beispiel von Massilia Sound System, die nach einer dreijährigen Pause und diversen Soloalben in diesem Jahr eine neue (wirklich gute) Platte herausgebracht haben, zeigt zumindest, dass es nicht völlig ausgeschlossen ist.

Doch Zebda war immer schon mehr als die Band Zebda - die Mitglieder verstanden sich immer auch als Teil eines Projektes, welches künstlerisch und politisch neue Wege gehen wollte. So beteiligte man sich maßgebend an der Toulouser Bürgerbewegung "Motive-e-s", die bei den Kommunalwahlen 2001 im ersten Wahlgang erstaunliche 12,4 % erreichte und mit ihrer Mischung aus Politik, Kunst und Musik eine neue Art von politischem Handeln zu kreieren versuchte (siehe hier).

Auch musikalisch war man kreativ: Unter dem Titel "Motivés. chants de lutte" brachte das "Tactikollectif" eine Platte heraus, auf der man alte Revolutions- und Freiheitslieder wie "Hasta siempre Che Guevara", "Bandiera rossa" oder " Le chant des partisans" neu interpretierte und mit überwiegend akustischen Instrumenten einspielte. Die musikalisch tragende Rolle übernimmt das Akkordeon, welches den Sound sehr französisch macht und dem ganzen einen beschwingten Charakter beschert.
Ähnlich funktionieren die beiden Alben des Projekts "100 % Collegues", die dank ihrer eingängigen Rhythmen und des sich automatisch einstellenden Mitsummeffekts höchst interessante und hervorragende Produktionen geworden sind.

Und dann organisiert man seit vier Jahren eben das oben genannte Festival - und in diesem Jahr veröffentlicht man für das Festival eine CD namens "Origines Contrôlées" - ein Album, welches Cover-Versionen alter algerischer Schlager enthält. Gesungen werden die Lieder von den Brüdern Mustapha und Hakim Amokrane, die bereits bei Zebda gemeinsam mit Magyd Cherfi (Rezension seines letzten Albums hier) für den Gesang zuständig waren und vor zwei Jahren unter dem Namen "Mouss et Hakim" eine Platte (Ou le contraire..) veröfentlicht haben. Grundlage der neuen Platte sind alte Stücke aus den 40er - 70er Jahrenvon Interpreten, die bei den in Frankreich lebenden Algeriern Superstars waren, aber im übrigen Frankreich unbeachtet blieben.

Mit dem Aufspüren und Neuinterpretieren älterer algerischer Lieder und dem Sich-Auseinandersetzen mit den eigenen Wurzeln hat sich bereits Rachid Taha beschäftigt - seine Alben Diwan und Diwan2 interpretieren ebenfalls maghrebinische "Schlager" aus den fünfziger und sechziger Jahren - und doch könnten beide Projekte nicht unterschiedlicher sein.

Das liegt in erster Linie an der schon von den "100% Collegues" und "Motivés" bekannten musikalischen Muster der Platte von "Origines Contrôlées". Dank des Akkordeons bekommen die Stücke einen starken französischen Touch - so entsteht eine ganz einzigartige, schwer zu beschreibende Mischung aus Chanson und algerischem Schlager - doch immer aüßerst melodisch und rhythmisch.

Besonders deutlich wird dies an zwei Titeln des Algeriers Mohamed Mazouni - das Stück "Écoute moi camarade" wird von Rachid Taha auf der CD "Diwan2" interpretiert. Hier sind die arabischen Elemente des Song deutlich zu hören und werden mittels Streichorchester noch unterstützt. Im Video sieht man einen Nordafrikaner, der - egal wie er sich müht - von den Franzosen Französinnen niemals akzeptiert wird.
Im Gegensatz dazu der Song "Adieu la France", den sich Origines Contrôlées vorgenommen haben - die Mischung aus nordafrikanischen und französischen Tönen hat sich deutlich in Richtung Frankreich verschoben und man spürt, dass die Interpreten, die diesen Song singen, längst in Frankreich angekommen sind und mit Stolz auf ihre nordafrikanischen Wurzeln ihren Platz in der Gesellschaft einfordern.

Origines Contrôlées ist eine höchst unterhaltsame Platte eines faszinierenden Projekts (und ich bedaure ein weiteres Mal meine mangelhaften Französischkenntnisse...)

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Montag, 19. November 2007
Schon die ersten Töne zeigen die Richtung an: ein knackiger Bass legt los, dann folgen akustische Gitarre und diverse Bläser und kredenzen einen knackigen Mix aus katalanischer High-Speed-Rumba, Rockabilly, Mambo, Funk und vielem mehr. Zusammengehalten wird diese wilde und chaotisch-anarchische Mischung durch die ungewöhnliche Reibeisenstimme des Sängers. Mit dieser Mischung begeisterte Muchachito Bombo Infierno bereits vor zwei Jahren mit dem Album "Vamos Que Nos Vamos“, und dieser Mix ist auch diesmal bestimmend für die neue Platte der Band um den Sänger und Bandleader Perera Viedman. Der ist, obwohl es beim Erscheinen des Debuts so aussah, als würde er wie ein Phönix aus der Asche auftauchen, bereits ein alter Hase in Barcelonas Musikszene und hat ausreichend Erfahrungen mit der Band "Trimelon" sammeln können

Trimelon gehörte neben Dusminguet und Color Humano zur "ersten Generation" der katalanischen Mestizo-Szene und hat die musikalischen Werke vieler heute angesagten Bands wie Ojos de Brujo, La Kinky Beat etc. nachhaltig beeinflusst. Auf dem zweiten Album von Trimelon (das erste Album kenne ich leider nicht) "Qué Vida Más Perra" ist der typische Muchachito-Sound - diese eigenwillige Art, die Rumba catalana neu zu interpretieren - schon deutlich zu erkennen. Nach der Auflösung der Band tingelt Perera Vidman einige Zeit durch die Gegend, um dann mit Muchachito Bombo Infierno neu durchzustarten. Am musikalischen Konzept von Trimelon ändert er nur wenig, doch setzt er seine Melodien verstärkt mit akustischer Gitarre und verstärktem Bläsereinsatz um. Diese Mischung trifft voll den Geschmack, das Debutalbum wird begeistert gefeiert und verkauft sich gut.

Jetzt ist mit "Visto lo Visto" das zweite Album erschienen. Dabei ist die Band ihren Stil treu geblieben und schrammelt unverdrossen und mit viel Spielwitz ihre Hochgeschwindigkeitsrumba unters tanzbereite Volk. Zwar haben die Bläser etwas mehr Gewicht gewonnen und erweitern das breite musikalisch Spektrum mit einigen Südstaaten-Brass-Tönen - insgesamt gibt es jedoch nicht viel Neues zu Hören. Doch wem bereits die erste Platte gut gefallen hat, dürfte auch seine Freude an "Visto lo Visto" haben - es macht einfach irren Spass, beim Hören der Platte die Regler weit aufzudrehen und mit gitanesken (?) Bewegungen durch die Wohnung zu schlittern......

Foto:rumboxing auf flickr


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Montag, 12. November 2007
Youssou N'Dour ist sicherlich der bekannteste Künstler Afrikas. Seit dem Megaerfolg "7 seconds" im Duett mit Neneh Cherry kann er sich auf eine gewisse Publicity verlassen, wenn er sich zu Wort meldet. Dies hat er in der Vergangenheit immer wieder genutzt , um sich Gehör bei zahlreichen politischen und sozialen Fragen zu verschaffen. Er war ein Sprachrohr bei der Initiative "Stop the debt" (Schuldenerlass), vertrat als einziger den afrikanischen Kontinent auf dem World Aid Konzert 2005, ist UNICEF Botschafter und unterstützt die Arbeit von amnesty international......

Musikalisch hat er sich aber für meinen Geschmack in den letzten Jahren zu sehr von der europäischen Popmusik beeinflussen lassen. Der Versuch, einen erneuten Chartbreaker a la "7 seconds" zu schaffen, merkte man insbesondere dem Album "Joko" deutlich an. Daneben brachte er aber auch immer wieder sehr afrikanische Alben heraus, die aber nur im Senegal erschienen und nicht für den internationalen Markt gedacht waren.

Mit "Egypt", seinem letzten mir bekannten Album, vollzog er dann eine deutliche Wende - sehr traditionelle asenegalesische Musik mit teilweise arabischen Instrumentierungen - kein Album für die Hitparaden, sondern für die interessierten "Spezialisten"- das Album erhielt prompt einen Grammy für das beste Weltmusikalbum 2005.

Jetzt ist sein neues Album "Rokku Mi Rokka" erschienen und es soll, folgt man den Ausführungen der vielen Rezensenten, kein typisches Youssou N'Dour Album sein. Denn die von Youssou N'Dour (mit)kreierten Mbalax-Rhythmen sollen diesmal nicht zu hören sein, stattdessen unternehme der Sänger eine musiklaische Reise in den Norden Senegals und spielt deren typische Rhythmen mit einer Mischung aus traditionellen und modernen Instrumenten ein.

Ich kann das nicht nachvollziehen. Die Musik klingt typisch nach Senegal und Youssou N'Dour, die meisten der Songs hätten auch auf den älteren Alben keine musikalischen Brüche erzeugt. Dies kann natürlich daran liegen, dass die außergewöhnliche Stimme und diese spezielle Art zu singen, so im Vordergrund steht, dass man die Musik nur als Begleitteppich wahrnimmt und kleine Unterschiede zunächst nicht wahrnimmt. Es kann aber auch daran liegen, dass die Abstriche an die traditionellen Rhythmen, die Youssou N'Dour immer noch in der Hoffnung auf einen Charterfolg vornimmt, die Eigenheiten der jeweiligen musikalischen Wurzeln bis zur Unkenntnis verwischt. Aber das ist letzlich auch egal, wenn die Rhythmen immer noch so stark und kraftvoll sind, dass man ihnen gerne folgt - und das kann man bei einigen (leider nicht allen) Stücken auf der Platte. Youssou N'Dour schafft meist die schwierige Balance zwischen musikalischer Virtuosität und (eingeschränkter) Massentauglichkeit zu halten.

Insofern ist "Rokku mi rokka" ein akzeptables Album. Auch wenn es mir manchmal etwas zu glatt und weichgespält klingt, so kann die Stimme doch einige musikalische "Mängel" wieder herausreißen.
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Nur das Nachfolgeduett mit Neneh Cherry namens "Wake Up " hätte er sich und uns ersparen könnenn.......

Fotos: U2005.com auf flickr

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Dienstag, 6. November 2007
Deutschlands Vorzeige-Reggaekünstler Gentleman hat seine inzwischen vierte Studio CD herausgebracht - und beginnt leider, gepflegte Langeweile zu verbreiten.






"Another intensity" ist kein schlechtes Album, aber man wartet während des Zuhörens auf das eine oder andere Stück, welches aus einer gewöhnlichen CD eine besondere CD macht - und man wartet vergebens. So plätschert die CD 70 Minuten lang vor sich hin und mir drängt sich irgendwann der Vergleich zu gut gemachter Kaufhausmusik auf. Da spielt jemand für den dezenten Hintergrund, die Musik säuselt so dahin, ohne richtig wahrgenommen zu werden - nach 70 Minuten fragt man sich, was man da eigentlich gehört hat - und man erinnert sich kaum....

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inofizieller (?) Blog zur neuen CD



Dienstag, 30. Oktober 2007
Griechische Folklore und Reggae - kann das zusammen passen? Es passt hervorragend - zumindest dann, wenn die Band Locomondo diese musikalischen Richtungen miteinander kombiniert. Das konnte man schon auf ihren bisherigen Alben hören und mit ihrer neuen Produktion "Me wanna dance" stellen sie das erneut eindrucksvoll und bemerkenswert unter Beweis.


"Me wanna dance" ist schwungvoller und gekonnter Roots-Reggae mit einer harmonischen Prise Sirtaki und anderen griechischen Folkeinflüssen. Dabei verfeinert die Band die musikalische Melange, die sie schon beim letzten Album "12 meres stin Jamaica" (12 Tage auf Jamaica) eingeschlagen haben. Damals wurde die Band von Vin Gordon, dem Posaunisten der Skatalites (für die sie während der Griechenlandtour als Vorgruppe auftraten) nach Jamaika eingeladen, um dort einige Stücke aufzunehmen. Heraus kam damals eine Reggaeplatte mit einigen richtig guten Songs, wie z.B. die Reggaeversion des Rembetiko-Klassikers "Frangosyriani".

Als ich jetzt vor wenigen Wochen ihre neue Produktion "Me wanna dance" in die Finger bekam und abhörte, war ich zunächst etwas enttäuscht. Irgendiwe hatte ich mehr Griechenland und weniger Jamaika erwartet - doch das Gegenteil war der Fall. Doch spätestens beim dritten Durchhören wich die Enttäuschung einer ziemlichen Begeisterung. Der griechische Einfluss ist immer noch unüberhörbar, es wird aber deutlich, dass die Band sich in erster Linie als Reggaeband versteht, die ihre eigenen Wurzeln nicht verheimlichen will. Dabei bewegt sich die Gruppe gekonnt in den verschiedenen Bereichen des Reggaes und Skas - und das immer mit einer eigenen Note und einem unverwechselbarem eigenen Stil....


Heimliche Hits des Albums sind sicherlich das tanzflächengeeignete "Dynameis tou kalou". und das eher untypische "Ay Ay Ay", welches Locomondo mit der allgegenwärtigen Amparo Sanchez in Barcelona aufgenommen haben und daher auch an die Mestizo-Sachen von Amparanoia erinnert. Und mit dem "Rembetiskank Nr 9", einer Coproduktion mit dem Ska Cubano Sänger Natty Bo findet sich dann doch noch ein stark Rembetiko-angehauchtes Stück Ska auf der Platte.




Locomondo kommen in den nächsten Tagen (ab heute) auf eine kurze Tour. Am 6. November sind sie auch mal wieder in Köln - diesmal im Underground. Wer die Chance hat, sollte die Konzerte besuchen - und sich nicht wundern, wenn er vom Sänger in akzentfreiem Deutsch begrüßt wird.....

Foto: aikan auf flickr

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