Holland habe ich bisher mit leckerem Vla, Frikandel Special und windigen Kurzurlauben verbunden - und der vermeintlichen Grundzutat eines gelungenen Reggaeabends. Musikalisch hat das Land aber wenig zu bieten - sieht man mal von Vader Abraham mit seine Schlümpfen oder Rudi Carells Schlagerversuchen ab.

Dabei ist der "Holländer an sich" durchaus musikalisch - zumindest wenn man den Bildern und Tönen glauben darf, die uns bei den Fernsehübertragungen von Fußballländerspielen der Oranjes oder Eislaufveranstaltungen erreichen. Da wird wild trompetet und gesungen, dass man das Gefühl hat, das eigentliche Event findet nicht in dem Oval, sondern auf den Tribünen statt. Hat man allerdings mal die Chance, dem Singsang der Fans zu lauschen, bestätigt sich schnell der zweite Satz meines Beitrags: "Musikalisch hat das Land aber wenig zu bieten - sieht man mal von......"

Das hat sich jetzt glücklicherweise geändert - denn mit Mala Vita gibt es eine Band, die den bisher musikalisch weißen Fleck der Niederlande auf der Landkarte des Mestizo mit Farbe füllt. Dabei war ihr erste Album "Disorganizzata" 2007 -zumindest in meinen Ohren- keine sonderliche Offenbarung. Die Mischung aus Balkan und Skapunk war zwar interessant und neu, aber mir zu unausgewogen und hölzern. Ich habe die Platte zwei-, dreimal gehört und dann ganz schnell wieder vergessen.

Mit "En Exilo" hat sich aber ihre musikalisches Umsetzung grundlegend verbessert. Plötzlich passt die Mischung aus treibenden Balkansounds, brachialem Ska und Reggae perfekt zusammen und der Sound klingt nicht mehr zusammengestückelt, sondern präsentiert sich wie aus einem Guss. Musikalisch bewegen sie sich auf relativ neuem Gebiet - die Verbindung von Ska, Punk und Balkan kenne ich sonst nur von KulturShock und in Ansätzen von Figli di Madre Ignota (wobei KulturShock wesentlich härteren Punk einstreut).

Deshalb können wahrscheinlich auch noch nicht alle Songs hundertprozentig überzeugen, aber mit Songs wie "Addio" oder "Balkanize" beweisen Mala Vita, dass sie eine gewisse musikalische Bandbreite abdecken können - da muss es nicht immer straight ab nach vorne gehen, auch bei den ruhigeren Stücken macht die Band eine durchaus gute Figur.

Mala Vita kommt zwar aus den Niederlanden, die Bandmitglieder haben aber auch andere Wurzeln. Der Sänger kommt aus Neapel, Schlagzeuger und Akordeonspieler aus Bosnien, der Rest aus Serbien und Holland - zusammengefasst eine jener klassischen Multikultibands, die zeigen, dass es entgegen aller Propaganda der rechten Rattenfänger (die es ja leider auch in den Niederlanden reichlich gibt) doch ein fruchtbares Zusammenleben verschiedener Kulturen geben kann - und angesichts der (musikalischen) Ödnis (nicht nur in unserem Nachbarland) auch viel häufiger geben sollte.

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Foto: Martijn Dehing auf flickr