Es gibt sie ja, die Geschichten über Menschen, die in Ihrer Jugend als die Rebellen par excllence gelten und dann irgendwann plötzlich den Sprung ins "Bürgerliche" vollziehen. Und erzeugen damit auch immer ein ungutes Gefühl bei denen, die sie in der Rebellion zurücklassen und die diese Abkehr oft als Verrat an den gemeinsamen Ideen ansehen.

Einer dieser Menschen ist Giovanni Pellino, der in den Achtigern als Drummer in verschiedenen italienischen Hardcore und Punkbands spielte, unter anderem bei den damals im italienischen Underground recht bekannten Band Negazione. 1992 löste sich die Band auf und der Drummer wechselte komplett seine musikalischen Präferenzen und machte fortan in HipHop. Dabei war der HipHop in Italien (viel stärker als in Deutschland) eine Musikrichtung, die in autonomen Zentren (Centri Sociali) entwickelt und geprägt wurde. Zwar gab es auch Bands und Interpreten wie Jovanotti oder Articolo 31, die einen kommerziell geprägten Rap a la Fanta4 fabrizierten, aber die linken Untergrundbands waren viel präsenter als hierzulande. Eine dieser Bands waren die Isola All Star Posse, die in Bologna entstanden und mit "Stop al panico" eine der ersten Hymnen der italienischen Rapszene einspielten.



Nach dieser Platte war schon Schluss für die Formation -aber nicht für die Mitglieder, denn aus den Isola All Stars entstanden einmal die apulischen Ragga-Pioniere von Sud Sound System und Neffa alias Giovanni Pellino gründete mit Deda und DJ Gruff die Formation Sangue Misto.

Auch Sangue Misto war kein sonderlich langlebiges Projekt - aber doch wieder ein ziemlich Bedeutendes. Ihr einziges Album SXM gilt heute als eines der wichtigsten Alben in der italienischen HipHop-Geschichte (wobei sich mir diese Bedeutung nie so recht erschlossen hat - was aber auch daran liegen kann, dass ich die Platte erst viel später zu hören bekam)

Sangue Misto löste sich auf und Neffa ging fortan musikalisch eigene Wege. Und wieder hat er ein äusserst glückliches Händchen bei der Aufnahnme seines ersten Solo-Albums. Mit "Neffa & I messaggeri della dopa" wirkte er ein weiteres Mal stilprägend für die italienische HipHopSzene. Die Platte führte konsequent den mit Sangue Misto eingeschlagenen Weg fort und legte den Wert nicht auf extrem wortgewandte Reime, sondern auf eine möglichst harmonische Verbindung von Sprechgesang und Musik.



Doch der damals bescheidene kommerzielle Erfolg war Neffa zu wenig und in der Folge wechselte er erneut seinen Musikstil - von Rap und HipHop zu RnB und Pop. Das brachte ihm nicht nur neue Fans ein, viele seiner alten Weggefährten und Fans waren entsetzt darüber, wie Neffa sich plötzlich dem Establishment annäherte und seine Songs auf mega-kommerziellen Veranstaltungen wie Festivalbar oder dem Schlagerfestival von San Remo präsentierte. Auch hatte er scheinbar keine Probleme damit, seinen (stark in Poesie verpackten) Antikriegssong "Cambiera" (Lyrics siehe hier) in einem deutschen Werbespot für ein alkoholisches Getränk "missbrauchen" zu lassen.

Mein Verhältnis zu Neffa war immer zwiegespalten. "I messaggeri della Dopa" war für mich der Inbegriff des modernen italienischen HipHops und ich habe diese Platte geliebt. Die nachfolgenden Alben habe ich dann als zunehmend kitschig empfunden, doch gab es immer zwei oder drei oder vier Stücke, die einfach klasse waren und die ganze CD rausgehauen haben. Ob "La mia Signorina" oder "Ti Perderò" auf "Arrivi E Partenze" oder "Prima Di Andare Via" oder "Lady" auf "I Molteplici Mondi" - da war und ist mein kleines italophiles Herz einfach wehrlos. Mögen die Songs auch manchmal etwas schmalzig daherkommen, mir gefiel es und deshalb war ich auch (fast) immer zur Stelle, wenn Neffa mal wieder ein Album herausbrachte. Wie auch dieses Mal wieder, denn mit "Sognando Contromano" ist vor wenigen Wochen sein allerneuestes Werk erschienen.

Doch dieses Mal habe ich nichts gefunden, was die Platte irgendwie rausreissen könnte. Stattdessen 45 Minuten gepflegter Italopop ohne größere Ecken und Kanten und damit eine in meinen Augen ziemlich überflüssige Platte. Schade......

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