Samstag, 3. Mai 2008
Es gab einmal eine Zeit, da sprudelten hier nur die Beiträge über Musik und Bands aus aller Welt. In den letzten Wochen (Monaten?) ging es hier aber nur noch äußerst schleppend voran. Die häufigsten Artikel beschäftigten sich mit Ausflüchten und dem Geloben von Besserung.
So auch heute wieder.

Das dieswöchentliche Video ist von alten Bekannten - die italienischen Spaghetti-Balkan-Rocker von Figli di Madre Ignota haben eine neue Single "Ole' Ole'" mit dem dazu gehörenden Video veröffentlicht. Der Song stammt von der letzten CD "Fez Club", ist also nicht unbedingt neu. Das Video ist geprägt durch ziemlich schnelle Schnitte und erzählt eine völlig sinnfreie Geschichte - wobei Geschichte eigentlich übertrieben ist - ich habe selbst nach dreimaligem Ansehen keine zusammenhängende Handlung entdecken können. An den Vorgänger, das ziemlich geniale "Paradise" kommt das Video nicht heran (was aber auch nur schwer zu erreichen war) - das Lied hat aber durchaus seine Qualitäten.
Mich hat es zumindest noch einmal dazu bewegt, die CD aus dem Regal herauszukramen und sie noch einmal komplett durchzuhören - und festzustellen, dass ich mich immer noch nicht "totgehört" habe an Figli di Madre Ignota......




Sonntag, 27. April 2008
Knapp den Samstag verfehlt - aber trotzdem noch nicht zu spät: das dieswöchentliche Video kommt diesmal von Markscheider Kunst. Deren Konzert gestern hat mich ziemlich beeindruckt und auch ihre Studioproduktionen haben ihren eigenen russischen Charme.

Der Name Markscheider ist übrigens eine Berufsbezeichnung im Bergbau - Markscheider waren verbeamtete Bergbauingineure. Die ursprünglichen Mitglieder der Band studierten in St. Petersburg Bergbau - da liegt der exotische Name durchaus nahe.

Der Song "Kvasa Kvase" stammt von der CD "Na Svyazi", welches 2004 erschienen ist:

Markscheider Kunst Homepage (deutsch - leider ohne links)
Markscheider Kunst Homepage (russisch/englisch)
Markscheider Kunst auf myspace




Gestern abend im Kölner Stadtgarten:

Markscheider Kunst kommen aus St. Petersburg und sind eigentlich eine Ska-Band. Ska scheint eine recht beliebte Musikrichtung in der russischen Hafenstadt zu sein, denn mit Spitfire, La Minor und Leningrad sind noch weitere Bands aus St. Petersburg einem breiteren Publikum in Deutschland bekannt.

Was Markscheider Kunst aber von einer "normalen" Skaband unterscheidet, ist ihre Liebe zu afrokubanischen Rhythmen, die sie in ihre Musik einfließen lassen. Verantwortlich für diese Einflüsse ist der Kongolese Seraphim Makangila, der mit der Musik seiner Heimat die restliche Band gehörig infiziert hat. Heraus kommt eine sehr eigenwillige Mischung aus Ska, Latin, Reggae und Afrobeat - Zutaten, die man auch von vielen spanischen Bands kennt. Und doch klingen Markscheider Kunst ganz anders als die Mestizo-Fraktion Barcelonas - aber sie brauchen sich nicht vor diesen zu verstecken. Im Gegenteil, Markscheider Kunst gehören für mich zu den interessantesten Mestizo-Bands überhaupt.

Nach einem sagenumwobenen Konzert vor einigen Jahren wurde es höchste Zeit, die Band noch einmal live zu bewundern. Damals spielten sie in einem kleinen unbelüfteten Raum im Kölner Jugendpark - der Raum war zum Bersten gefüllt mit Leuten, die alle schnell von der irrwitzigen Musik mitgerissen wurden und dem Raum jeglichen Sauerstoff entzogen. Das Konzert dauerte ewig und die Band spielte und spielte und spielte.......Ich hab noch nie ein Konzert erlebt, bei dem ich dermaßen nassgeschwitzt und abgekämpft gewesen bin.

Lange habe ich mich gesträubt, erneut ein Konzert der Band zu besuchen - die (inzwischen verklärte) Erinnerung an das erste Konzert machte eine Enttäuschung wahrscheinlich. Doch diesmal war es wieder soweit: Markscheider Kunst im Kölner Stadtgarten.

Beinahe wäre das Konzert der merkwürdigen Visa-Praxis der deutschen Botschaft in Russland zum Opfer gefallen. Denn die Diplomaten sahen sich plötzlich außerstande, der Band fristgerecht die Einreise zu ermöglichen. Aufgrund einer Software-Umstellung in der deutschen Botschaft in St. Petersburg, so hieß es, sähe diese keine Möglichkeit, die beantragten Visa rechtzeitig auszustellen. Eine merkwürdige Begründung, die noch ominöser wird, wenn man erfährt, dass mit wortwörtlich der gleichen Begründung vor einigen Jahren der Band La Minor ebenfalls die Einreise verwehrt bzw. verzögert wurde.

Die Folge dieser merkwürdigen Politik der deutschen Botschaft war, dass einige Konzert der Band verlegt werden mussten und - was noch wesentlich schlimmer ist - gänzlich abgesagt wurden.

Das Konzert in Köln fand glücklicherweise statt und war ein wunderbarer Genuss.
Der Konzertraum war sehr gut gefüllt, als die Band endlich loslegte. Viele junge Leute mit "russischem Migrationshintergund" feierten ihre Band frenetisch und mit viel Alkohol und noch mehr bewußtseinserweiternden Rauchwaren. Das beeindruckte den Bandleader aber zumindest äußerlich nicht sonderlich, seine Ansprachen hielt er vorzugsweise in Englisch und die üblichen Danksagungen an des Publikum beging er mit viel angenehmen Understatement. Ich habe selten einen Bandleader gesehen, der so abgezockt und cool sein Programm runterspulte, ohne dass sein Verhalten in irgendeiner Form überheblich oder arrogant wirkte. Den jungen Russen war das auch ziemlich egal, sie feierten 2 Stunden sich und die Band......
Markscheider Kunst trat ohne ihr kongolesisches Bandmitglied an, der dem Vernehmen nach nur noch sporadisch mit der Band auftritt. Stattdessen spielte sie in der Besetzung, Gitarre und Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Percussion (wobei auch hier einige Schlagzeugelemete ausgiebig genutzt wurden) und einer dreiköpfige Bläsersektion.
Der Sound war klasse und perfekt abgemischt und die Band versteht ihr Handwerk, so dass man neben der absolut in die Beine gehenden Rhythmen auch die durchaus virtuos vorgetragenen Soli der einzelnen Musiker bewundern konnte - insbesondere bei der Afrobeat-Nummer "Zumu-zumu" legten die Bläser einen Sound hin, der auch einem Fela Kuti durchaus Freude bereitet hätte. Der Song war für mich der Höhepunkt des Konzerts - 15 Minuten Schweben auf einem genialen Soundteppich........

Fazit: Markscheider Kunst sollte man gesehen haben - und nicht nur einmal......



Samstag, 26. April 2008

Heute vor 22 Jahren wurde die Technikgläubigkeit unserer Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt. Block IV des AKW Tschernobyl verstrahlte aufgrund einer Kernschmelze weite Gegenden der Ukraine und sorgte für Bedenken und Hysterie in vielen anderen europäischen Ländern. Aus heutiger Sicht wirkt vieles sehr übertrieben und ein wenig lächerlich (siehe wikipedia) - allerdings ist dies angesichts der doch sehr sparsamen Informationspolitik der Behörden der Sowjetunion und der Beschwichtigung unseres damaligen Innenministers Friedrich Zimmermanns (der 1960 wegen Meineides verurteilt wurde, dann aber freigesprochen, weil ein Gutachten ihm für den Zeitpunkt des Eides eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit aufgrund einer Unterzuckerung bescheinigte) durchaus verständlich. Auf YouTube gibt es eine gute Zusammenfassung der Tagesschau-Meldungen der Tage nach der Katastrophe


Wenig später wurde durch Wolf Maahn die Leidensfähigkeit der damals zahlreichen Anti-AKW-Bewegten ebenfalls heftigst beansprucht. Mit seinem Song "Tschernobyl, das letzte Signal" und Strophen wie "Oohoho Tschernobyl - Das letzte Signal vor dem Overkill - Heh, heh , stoppt die AKW´s ! Heh !" wollte Maahn der Bewegung eine musikalische Stimme geben. Leider ist ihm dies auch zum Teil gelungen - so dass wir uns heute von der jüngeren Generation vorwurfsvoll fragen lassen müssen, ob wir wirklich mit solcher Musik für eine bessere Welt gekämpft haben.....

Und PolitikerInnen wie Angela Merkel denken wieder einmal laut darüber nach, ob Kernenergie vielleicht doch eine sinnvolle Möglichkeit der Energiebeschaffung darstellt - und so hat der Song von Wolf Maahn immer noch seine Berechtigung und Aktualität - leider!!!




Dienstag, 22. April 2008
hier wieder 10 Alben, die mich durch den März gebracht haben (zufällige Reihenfolge):

1. Bole 2 Harlem - Vol. 1
2. Watcha Clan - Diaspora Hi-Fi
3. Ma Valise - Maya Ye
4. Massilia Sound System - Oaï E Libertat
5. Karamelo Santo - Antena Pachamama
6. Gaetano Fabri - Nuit Tsigane
7. Transglobal Underground - Moonshout
8. Les Boukakes - Bledi
9. Magnifico - Grande Finale
10. V.A. - Putumayo present: Latin Reggae



Es gibt einiges aufzuholen...

Am Anfang jeden Monats werden die World Music Charts Europe hier veröffentlicht. Über 50 DJs verschiedener Radiostationen in ganz Europa wählen ihre aktuellen Favoriten. Hier wie immer eine kurze Vorstellung der Top 3 des Monats April und anderer interessanter Trends, die sich vielleicht aus den Charts herauslesen lassen....

1.800 von Mercan Dede
Ziemlich harte Kost, die uns die Juroren der World Music Charts in diesem Monat vorsetzen. Mercan Dede stammt aus der Türkei und vermischt elektronische Sounds mit traditionellen Musikinstrumenten und Melodien. Also eigentlich genau die Mischung, die mich normalerweise begeistert. Aber Mercan Dede fährt das Tempo seiner Stücke so weit herunter, dass einem die imaginären Räucherstäbchen schon in der Nase jucken und man die Musik als öde Meditationsgrundlage abqualifiziert. Dies umso mehr, da der Titel 800 an den islamischen Mystiker Mevlana erinnern soll, der vor 800 Jahren geboren wurde. Dabei hat die Platte durchaus ihre faszinierenden Momente wie etwa der Titelsong, bei dem der türkische Rapper Ceza zu osteuropäisch klingenden Blassektionen rappt. Aber insgesamt ist mir die Musik dieser Platte zu ruhig und entspannend - etwas weniger Sphärenklang und etwas mehr Beats sind mir bedeutend lieber.......

Die Songs der CD (und auch der älteren Platten) kann man sich übrigens per Stream komplett (?) auf der Homepage von Mercan Dede anhören..

2. FRAGILE BEAUTY von Huong Thanh
Ich bin immer noch erstaunt und finde keine plausible Erklärung dafür, dass eine vietnamesische Sängerin die World Music Charts stürmen kann. Überhaupt nicht meine Musik..........






3. THE MANDE VARIATIONS von Toumani Diabate
Toumani Diabate hat nach der Big - Band - Platte "Boulevard de l'Independance" jetzt ein traditionelles Solo-Album eingespielt. Die Musik ist zwar recht folkloristisch, aber die Hörproben auf der myspace-Seite klingen sehr vielversprechend. Auf der Platte kann man hören, wie virtuos Tomani Diabate sein Instrument, die Kora beherrscht - aber neben allem technischen Können zeichnet sich die Platte auch durch gekonnte und stimmige Arrangements aus. Auch wenn ich bisher nur wenige kurze Fragmente der Platte kenne, scheint es eine wirklich schöne Platte zu sein......



Auf den restlichen Plätzen finden sich keine besonders aufregenden Neuerscheinungen. Nach den vielen afrikanischen Wiederveröffentlichungen hat das Revival-Fieber jetzt auch den Balkan erreicht. Mit der Reihe "SOUNDS FROM A BYGONE AGE" erinnert die Plattenfirma Asphalt Tango an Balkan-Heroen längst vergangener Tage. Mit der 5. Compilation, die Songs der Rumänin Gabi Lunca enthält, gelang der Reihe erstmals (?) der Sprung in die Charts.
Ansonsten gibt es Folklore aus Frankreich, Brasilien und Kroatien und den bemerkenswerten Sampler BLACK STARS - GHANAS HIPLIFE GENERATION, der einen guten Überblick über die lokale Rapszene in Ghana bieten soll.
Und in 10 Tagen gibt es schon die World Music Charts Mai!