Donnerstag, 16. Juli 2009
Vor einigen Monaten hatte ich etwas vorschnell die Polka als den neuen Weltmusiktrend ausgerufen. Grund dafür waren unter anderem verschiedene Schnipsel, die ich von der Berliner Gruppe Polkaholix und deren zweitem Album "The Great Polka Swindle" vernommen hatte.

Diese Euphorie verflog dann etwas, als ich die Platte erstmals (virtuell) in Händen hielt und komplett hören konnte. Zwar gab es einige schöne Coverversionen wie z.B. Rio Reisers "Alles Lüge" oder "Das Modell" von Kraftwerk, aber auch Bearbeitungen ziemlich traditioneller Polkanummern. Und traditionelle Polka ist für mich eine ganz schwierige Musik. Der Rhythmus ist so einfach und bieder, dass er von den Honoratioren im Festzelt auch nach x-Bieren noch mit Anstand absolviert werden kann. Mir treibt diese Musik in der Regel die Tränen in die Augen, insbesondere dann, wenn mir Bekannte mit dem Brustton der Überzeugung versichern wollen. dass sie eigentlich nicht auf diesen Rhythmus stehen, diese aber zum Feiern vorzüglich geeignet wäre.

Diese unglückselige Verknüpfung von eigenen Erfahrungen und Erinnerungen beim Hören der Musik von "The Great Polka Swindle" bedeuteten erst einmal den Knockout für die Polkaholix in meiner persönlichen Bestenliste....

Nun gibt es dem Herrn Jobs (der von Apple) sei Dank inzwischen so praktische Dinge wie einen Ipod mit riesigen Speichern, auf denen sich dann manchmal bereits aussortierte Platten verstecken können und dann irgendwann aus heiterem Himmel wieder auftauchen.
Und so kam es, dass ich irgendwo auf dem Weg von Köln nach Freiburg die Platte erneut hörte - und dieses Mal gab es keine überhohen Erwartungen, die enttäuscht werden konnten. Zwar finde ich die traditionellen Nummern immer noch nicht prickelnd, aber die meisten anderen Stücke gewinnen mit jedem Hören. Das gilt insbesondere für die Bearbeitungen alter Berliner Gassenhauer wie das allgemein bekannte "Bolle" oder "Bel Ami", die angenehm überraschen und überzeugen. Überstrahlt wird das alles aber von der Coverversion von Ideals "Berlin" - eine Version, die mich immer noch vor Begeisterung strahlen lässt.

Der Titel "The Great Polka Swindle" ist natürlich auch eine Remeniszens an die Clash-Platte "The Great Rock 'n Roll Swindle." Und der Vergleich mit dem Klassiker der Punkgeschichte ist natürlich gewagt, aber durchaus berechtigt. Denn Polkaholix spielen eine verschärfte Art der Polka. Ihr Tempo ist ungemein hoch, die Bläser knallen richtig rein und sind höllisch schnell, doch dabei immer gestochen scharf. Man möchte die Musik als Akustik-Blasmusik-Punk oder -Rock bezeichnen und vergisst dabei häufig (leider nicht immer), dass es sich dabei eigentlich um einfache Polka handelt.....

"The Great Polka Swindle" hat einige wenige Tiefen, aber viele außergewöhnliche Höhen und ist damit eine interessante und selten gute Platte geworden. Zwar wird die Polka bei mir wahrscheinlich keine große Zukunft haben, dass liegt aber nicht an den Polkaholix. Im Gegenteil.....

Polkaholix Homepage
Polkaholix auf myspace

Foto: WitekKurowski auf flickr




Inzwischen gibt es auch ein "richtiges" Video von den polkaholix. Leider gehört der Song "Spare-Ribs" (nicht auf der CD enthalten) für mich eher nicht zu den Höhepunkten ihres Schaffens (obwohl das auch daran liegen kann, dass der Song so penetrant im Ohr hängen bleibt und ich einen halben Tag damit verbracht habe, das Lied ständig zu pfeifen, summen oder gar (leise) zu singen. Eine Erfahrung, die ich nicht noch mal haben muss....)