Samstag, 11. April 2009
Manchmal haben Blogpausen ja auch ihr Gutes. Hätte ich wie ursprünglich geplant vor drei Wochen meine Meinung zu dem neuen Album der katalanischen Band La Pegatina geschrieben, wäre der Tenor meiner Rezension in etwa wie folgt ausgefallen: nettes Album, welches aber nicht an die Klasse ihres Debuts herankommt, obwohl man das musikalische Spektrum erweitert hat. Also ein typisches zweites Album einer Newcomerband........

Doch dann stürzte mein musikalischer Datenspeicher ins Nirwana und musste mühsam wieder befüllt werden, das Wetter wurde besser, ich traute mich wieder auf die Waage und musste daraufhin wieder einmal den (alljährlich wiederkehrenden) Entschluss treffen, mich wieder mehr zu bewegen, um den Bauch wieder in einen Bauchansatz zu verwandeln, und und und...... - alles Dinge, die eine intensivere Beschäftigung mit meinem Blog verhinderten.

Und in der Zwischenzeit hörte ich anfangs immer mal wieder, später aber immer häufiger in das Album "Via Mandarina" hinein. Und Stück für Stück veränderte sich meine Einschätzung über die CD. Und so muss ich mich inzwischen zurückhalten, um hier nicht in eine Eloge über die Band und ihrer zweiten Platte zu verfallen.

Also beginnen wir ganz trocken mit den Fakten: La Pegatina kommen aus Barcelona, existieren seit 6 Jahren und nennen ihre Musik selber "Rumba urbana". Bestandteil dieser urbanen Rumba ist zu einem großen Teil die Rumba catala, wie sie in den 70er Jahren Musiker wie Gato Perez oder Peret berühmt gemacht haben ( siehe die ausgezeichnete Compilation Achillfunk).

Ähnlich wie die bekannteren Muchachito Bombo Infierno mischen sie den Rhythmus mit anderen Stilen wie Ska oder Reggae und erzeugen so eine wahnsinnig dynamische und explosive Mischung, die sofort in Bauch und Beine geht. Zudem hat die Band durch Einbindung von Trompete und Akkordeon ihre Bandbreite bedeutend erweitert, was die Musik im Vergleich zum ersten Album bedeutend vielfältiger und abwechslungsreicher macht. Dabei sind die Mitglieder der Band vielleicht nicht so virtuos an den Instrumenten wie die Kollegen von Muchachito, aber Virtuosität ist bei dieser Art von Musik auch nicht unbedingt notwendig. Viel wichtiger ist, dass die Band in der Lage ist, zu grooven - und das ist La Pegatina definitiv!!


Leider hat das im deutschsprachigen Raum bisher kaum jemand bisher erkannt - sieht man einmal von der Luzerner Kulturmafia bitxidenda ab, die sich vorbildlich um La Pegatina kümmern und für den Herbst bereits die zweite Tour der Band organisieren. Dieses Mal geht es nicht nur in die Schweiz, sondern auch nach Deutschland, u.a. auch ins heimische Kulturausbesserungswerk. Es ist zwar definitiv zu früh, sich jetzt schon auf den November zu freuen, aber so hat das Ende des noch nicht begonnenen Sommers auch eine positive Seite......


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Und das vielleicht Beste zum Schluss: La Pegatina stellt ihre beiden CDs zum kostenlosen Download auf ihrer Homepage bereit. Unter "Descarga" findet man den entsprechenden link zum Debutalbum "Al Carrer!". Der link zu "Via Mandarina" ist zur Zeit leider defekt und man muss einen Umweg entweder über die myspace-Seite oder über das Forum von Radiochango nehmen. Warum immer mehr spanische Bands ihre Platten kostenlos zum Download anbieten, erschließt sich mir zwar nicht, aber ich bin der Letzte, der sich darüber beklagen will........



Mittwoch, 18. März 2009
Zu den großen und innovativen Stars der spanischen Mestizo-Szene gehört ohne Zweifel Dani "El Mono Loco" (der verrückte Affe) und sein Projekt Macaco. Seine letzte Platten "Entre Raices y Antenas" und "Ingravitto" sind ganz großes Kino und absolute Pflichtkäufe im Bereich "Mestizo".

Nun sind die beiden Platten inzwischen 3 bzw. 5 Jahre alt und so langsam wird es Zeit, dass uns Macaco mit neuen Songs beglückt. In einem langen Interview mit Voice of Culture vor zwei Jahren kündigte er neben einem neuen Studioalbum (für Sommer 2008) auch ein "Überraschungsalbum" mit vielen Gastmusikern an, über das er nicht viel verraten wolle. Umso gespannter war ich, als ich vor wenigen Tagen davon las, dass jetzt endlich ein neues Album mit dem Titel "Puerto Presente" erscheinen würde. War dies das längst überfällige "reguläre" Album oder die musikalische Sensation von El Mono Loco und seinen Gästen?

Dank Rebel Sounds hatte ich die Möglichkeit, (in schlechter Qualität) das Album schon einmal "vorzuhören".

Beim ersten Titel "Aquí Ahora" bahnt sich dann die Überraschung an: Zu Hafen- und Meergeräuschen ertönt eine langsame Musiksequenz und eine offensichtlich griechische Stimme spricht einen oder zwei Sätze. Doch das war es dann auch mit dem Neuen, es folgt der typische Macaco-Sound. Ein elektronisch angehauchter Soundteppich mit eingespielten gesampelten Sound- und Wortfetzen und darauf die extravagante Stimme El Mono Locos" - das ist das bewährte Rezept, mit dem das Projekt bereits in der Vergangenheit überzeugen konnte. Doch das heißt nicht, dass Macaco nichts Neues eingefallen ist und er weiter musikalisch auf alten Pfaden wandelt. Die Platte enthält ungemein spannende und schöne Titel, was wohl daran liegt, dass Macaco einfach die hohe Kunst des Songschreibens beherrscht wie kaum ein anderer. Und so entstehen dann Lieder, die einfach stimmig sind und passen, selbst ein eingebauter Kinderchor (für mich normalerweise ein musikalisches Totschlagargument) wie in "La Ley del Uno" erzeugt keinerlei Unbehagen.....

Musikalisch saugt Macaco alle möglichen Einflüsse auf und verarbeitet sie zu einem neuen globalen Sound - nur selten, wie zum Beispiel beim ausgezeichneten "Mensajes de Agua" sind die (hier: brasilianischen Samba-) Wurzeln leicht zu erkennen. Ansonsten vermischt er die üblichen Rhythmen zu einer ganz eigenen Melange, die so gar nichts mehr mit den sonst üblichen Mestizo-Sound zu tun hat - so dass man sich schon zwischenzeitlich fragt, ob man diese Musik noch in einen Topf mit den Platten von Che Sudaka, Manu Chao oder Ojos de Brujo schmeißen kann. Denn eigentlich macht Macaco inzwischen Popmusik im allerbesten Sinne des Wortes - lediglich aufgrund seiner Sprache wird er wahrscheinlich weiterhin in der "Weltmusik-Ecke" der Plattenläden landen. Was einerseits schade ist, weil er so für viele gänzlich unbekannt bleibt - andererseits aber auch ein Glück ist, denn sonst hätte ich ihn nie für mich entdeckt.....

Auch wenn mir nicht alle Titel hundertprozentig gefallen, so ist Macaco mal wieder ein Album gelungen, welches sich in Bezug auf musikalische Qualität deutlich von der sonst üblichen Mestizo-Musik abhebt. Da ist nicht viel von dem sonst üblichen Geschrabbel vieler Bands zu hören, stattdessen sind die Songs vom ersten bis zum letzten Ton sorgsam arrangiert, eingespielt und abgemischt. Auch deshalb gehört das Album zum Besten, was ich bisher in diesem Jahr auf die Ohren bekommen habe.........

Macaco Homepage
Macaco auf myspace

Foto: nachotronic auf flickr




Freitag, 13. März 2009
Im Moment habe ich das Gefühl, mit guten neuen Alben dermaßen zugeschüttet zu werden, dass mir zunehmend die Worte fehlen, die Alben adäquat zu beschreiben. Also schieb ich mal ein nicht so dolles Album ein.....

Nach dem großen Erfolg der Ska-Ep mit Amy Winehouse dachten sich die Macher, "versuchen wir das Konzept ein zweites Mal" und ließen zwei Songs der Spicials von einer anderen neuen Diva des britischen Rock/Pop-Business covern. Aber leider hat Lily Allen bei weitem nicht die stimmlichen Fähigkeiten von Frau Winehouse und ist auch nicht in der Lage, mit ihrer Interpretation den Songs neues Leben einzuhauchen.

Bei "Gangsters" kann man nicht viel falsch machen (zumal wenn Terry Hall - eine Originalstimme der Specials mitsingt) - der zweite Song "Blank Expression" wird aber von Lily Allen zimelich misshandelt und zu einem nichtssagenden Popliedchen mit gefälligem Ska-Rhythmus - wenn nur der Gesang nicht wäre.........




Dienstag, 10. März 2009
Amy Winehouse - in meinem Blog?

Ich hätte schwören können, dass eine solche Situation nur dann eintreten kann, wenn irgendjemand aus der weiten Welt des Internetzes meine Zugangsdaten crackt und dann damit beginnt, "schoene-Toene" mit sinnfreien Posts vollzuspammen. Stattdessen schreibe ich nun selber einen Beitrag über Amy Winehouse......

Ich gebe gerne zu, dass die Frau mir bisher ziemlich unbekannt gewesen ist. Natürlich hört man immer mal wieder in den einschlägigen Radiostationen etwas von Amy Winehouse - die Titel sind mir aber nie bewusst im Ohr hängen geblieben. Und dann stolpert man ja ständig über diese Yellow-Press-Meldungen mit Berichten über den angeblich exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum und Gerüchten über ständig wiederkehrende Beziehungsproblematiken. Also all das, was man immer wieder von den angeblich neuen Superstars hören und lesen kann - das Leben kann so langweilig sein.....

Als ich aber dann vor einigen Tagen irgendwo im Netz über einen Beitrag über eine superseltene Vinyl-EP mit Ska-Aufnahmen von Amy Winehouse stolperte, wurde ich doch neugierig. Nun ist es im Internet so, dass "superseltene" Aufnahmen kinderleicht zu finden sind und so konnte ich wenige Minuten später (zwar nicht auf Vinyl) erstmals Frau Winehouse Versuche, Ska zu interpretieren, begutachten.

Insgesamt hat sie 4 Titeln gecovert, wovon Sam Cooke's "Cupid" kein Ska im klassischen Sinne ist, sondern lediglich mit einem Ska-Rhythmus unterlegt wurde. Die anderen drei Stücke sind mir bestens durch die Specials bekannt, die ja bekanntermaßen mein Leben verändert haben. Und ich muss schon sagen, dass Amy Winehouse den ollen Kammellen "Monkey Man", "Enjoy yourself" und "Hey little rich girl" auf höchst interessante und eigenwillige Weise neues Leben eingehaucht hat - wobei "eingehaucht" nun wirklich nicht der passende Begriff ist.

Die Band (vor der ich nach dem Genuss diverser Videos auf YouTube allerhöchsten Respekt habe) spielt die Lieder grandios und mit einer gewissen Härte und Rohheit ein, dass es eine wahre Freude ist - und die gut zu hörenden R&B-Einflüsse stehen den Songs ausnehmend gut. Ein wenig erinnert der Sound an die amerikanische Band Aggrolites, die diese Art des "dreckigen" Reggaes ebenfalls perfekt beherrschen. Doch was die Interpretationen so besonders eigenwillig macht, ist die Stimme von Amy Winehouse. In irgendeiner Rezension habe ich gelesen, dass dem Hörer der Gesang schon nach wenigen Takten auf die Nerven gegangen ist. Das kann ich gut verstehen - ich bin allerdings völlig elektrisiert von dieser Stimme. Sie rotzt die Texte geradezu heraus, immer ganz nah dran, den falschen Ton zu treffen oder den richtigen Einsatz zu verpaqssen - aber eben nur nah dran. So klingen die Stücke wahnsinnig lebendig und grooven wie Sau - mir fehlen die Worte.......

Ein Wahnsinnsalbum, welches man hassen oder lieben wird!!





Ich habe mich in den letzten Tagen durch Unmengen von YouTube-Videos mit Live-Aufnahmen der Songs von der Ska-EP gekämpft - und die Frau gehört schon ziemlich zum Härtesten, was ich bisher gesehen habe. Ihre Bühnenpräsenz, ihre Aufmachung und ihre Art, immer etwas geistig abwesend die Texte ins Mikrophon zu "singen", faszinieren und verstören zugleich. Gleichzeitig sieht man, wie eng bei ihr die Grenze zwischen Genialität und Katastrophe ist - oder zumindest empfunden werden kann. Beim Auftritt der BBC (2. Video) ist für meinen Geschmack die Grenze erreicht, aber dem Publikum und vielen Kommentatoren scheint es dennoch zu gefallen.....





Freitag, 20. Februar 2009
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre der afrikanische Reggae in einer kleinen Krise. Die prominentesten Heroen der ersten Stunde sind entweder gestorben (Lucky Dube aus Südafrika) oder in einer längeren Schaffenskrise - vom letzten Album Alpha Blondys (dem zweiten ""Begründer" des afrikanischen Reggae) ist mir allenfalls die nette Pink Floyd-Coverversion von "Wish you were here" in Erinnerung geblieben, der Rest war in meine Ohren gepflegte Langeweile.....

Man kann zwar immer mal wieder in Reggae- oder Weltmusik-Webseiten von neuen afrikanischen Reggaemusikern lesen, eine intensivere Beschäftigung offenbart aber dann in den allermeisten Fällen (Seyni & Yeliba aus Guinea könnte da eine löbliche Ausnahme bilden) eine ziemliche Enttäuschung - zu oft klingt das nach billigen Bob-Marley-Kopien ohne jegliche individuelle Note

So wäre der afrikanische Reggae wahrscheinlich ein längst vergessenes musikalisches Genre (falls man dies "Genre" nennen kann) - wäre da nicht Tiken Jah Fakoly. Der Mann von der Elfenbeinküste hat sich mit seinen inzwischen 6 Studioalben internationales Renommee und Anerkennung erworben. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch seine kompromisslose politische Haltung, mit der er nicht nur die Regierungen der Elfenbeinküste und anderer afrikanischer Staaten kritisiert, sondern auch die äußerst zwielichtige Rolle der europäischen Staaten anprangert. Ob Globalisierung oder Flüchtlings Abschottungspolitik - Tiken Jah Fakoly versteht es wie kaum ein anderer, die Probleme eines fast vergessenen Kontinents wieder zum Vorschein zu bringen. In einem Interview vor einigen Jahren mit dem Reggaemagazin riddim.de fragte er "Ist Europa reif für Demokratie in Afrika? - ein Satz, über den man angesichts der seit Jahrzehnten sich kaum verändernden Situation in Afrika länger nachdenken sollte. Natürlich sind viele Probleme in Afrika hausgemacht, doch wer finanziert die korrupten Politiker, wer liefert die Waffen für die unzähligen Bürgerkriege, wer macht Geschäfte mit korrupten Regierungen und wer sieht weg, wenn grundlegende Menschenrechte verweigert werden. Oder wie Tiken Jah in dem Interview weiter ausführt, "(die Probleme) ...für die Bewohner dieses geplünderten Kontinents sind so offenkundig und unübersehbar, dass es kaum den Anschein hat, als sei irgendjemand reif für Demokratie in Afrika... "



Doch bei aller Streitlust und Ernsthaftigkeit in seinen Texten ist sein Auftreten und seine Musik immer auch von einer gewissen Locker- und Lässigkeit gezeichnet - er wirkt nicht so, als würde er an seinen sicherlich für ihn frustrierenden Einschätzungen zerbrechen können. Das unterscheidet ihn in meinen Augen z.B. von Femi Kuti, der zweiten großen politischen Stimme des musikalischen Afrikas. Doch darüber vielleicht an anderer Stelle etwas mehr, wenn ich dazu kommen sollte, das letzte Album des Nigerianers zu besprechen....

Im Laufe der letzten Jahre ist es Tiken Jah Fakoly gelungen, mit seiner Interpretation des afrikanischen Reggaes viele neue Anhänger und Freunde zu gewinnen. Nicht nur, aber auch und vor allen Dingen in Frankreich. Paris ist eben immer noch die wichtigste Adresse für afrikanische Musiker, die außerhalb ihres eigenen Kontinents ihre Musik verkaufen wollen. Aus Paris kommt daher auch der Konzertmitschnitt seiner Live-CD - und man hört schon zu Beginn, dass Tiken Jah Fakoly hier auf eine enthusiastisierte Fangemeinde trifft, die textsicher alle Songs mitsingen kann und bereit ist, gemeinsam mit Sänger und Band eine große Party zu feiern. Das fängt schon beim Opener der CD an - ein Medley, bei dem Tiken Jah Fakoly überhaupt nicht mitwirkt und die verschiedenen Tracks von Backgroundsängerinnen und Publikum gesungen werden. Und auch der Rest ist gekennzeichnet durch gute musikalische Darbietungen von Band und Sänger sowie vielstimmiges Mitsingen im Publikum - und dieses stimmungsvolle Zusammenspiel ist hervorragend auf der CD eingefangen worden. Und spätestens bei der eindrucksvollen Hymne "Ouvrez les frontieres" fragt man sich ein wenig aufgeputscht durch die tolle Atmosphäre, ob Musik die Welt nicht doch verändern kann - zumindest wünscht man sich das in diesen Momenten.....

Tiken Jah Fakoly - Live à Paris ist ein Album, welches man sich häufiger wünscht. Die Balance aus eingefangener Stimmung und musikalischer Klasse ist perfekt, die Songauswahl stimmig - viel besser kann ein Live-Album nicht werden! Maximum Respect!!!!

Tiken Jah Fakoly Homepage
Tiken Jah Fakoly auf myspace

Foto: Damian Rafferty für flykr auf flickr

Das nachfolgende Video ist wohl identisch mit den ersten beiden Songs des Live-Albums.




Freitag, 6. Februar 2009
Als ich zum ersten Mal von der Platte hörte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie so etwas funktionieren könnte und dachte bei mir, "wie schräg ist das denn?"

Da geht jemand hin und fusioniert äthiopische Musik in der Tradition der goldenen 60er und 70er Jahre mit jamaikanischen Dubkaskaden von ozeanischer Tiefe. Mir ist natürlich bekannt, dass es durch die Rastafari-Bewegung Verknüpfungspunkte zwischen dem afrikanischen und karibischen Staat gibt, aber musikalisch lagen die beiden Länder in meinen Ohren immer Lichtjahre auseinander.

Auf der einen Seite Äthiopien, dessen Musik eine reiche Tradition hat und in den letzten Jahren der Monarchie Haile Selassies eine neue Blütezeit erlebte, als die traditionellen Rhythmen mit westlichen Stilen wie Jazz, Funk und Soul verbunden wurden. Dabei wurde aber weiterhin in der Landessprache gesungen, ein Umstand, der diese Musik für unsere Ohren sehr fremd und oft sperrig klingen lässt. Einen guten Einblick über die musikalische Szene Äthiopiens bietet die CD-Compilation-Serie "Ethiopiques" , die auf dem französischen Label Buda Musique erschienen ist.

Auf der anderen Seite Jamaika, über dessen vielfältige musikalischen Traditionen ich hier nicht viel schreiben muss. Wenn es ein Land gibt, welches hierzulande mit Musik verbunden wird, dann ist es Jamaika und der Reggae. Wahrscheinlich wird diese Reduzierung auf diesen einen Musikstil nicht gerecht, aber Reggae ist das musikalische Exportgut der Insel und wird es wahrscheinlich noch hunderte Jahre bleiben - trotz unsäglicher Battyman-Tunes und vieles andere Schrottige, was unsere Ohren in der letzten Zeit zu hören bekamen. Früher war nicht immer alles besser, aber in meinen Ohren hat der jamaikanische Reggae seine goldene Zeit hinter sich gelassen - und ist längst von Reggaegruppen aus Europa oder Afrika überholt worden. Vor 20 oder 30 Jahren war das noch anders. Neben dem klassischen Roots-Reggae eines Bob Marleys oder Peter Tosh entwickelten sich immer auch neue Spielarten wie beispielsweise der Dub, bei dem mittels kräftig aufgemotzter Basslinien und verschiedenen Effekte wie Hall oder Echo ein völlig neuer Sound kreiert wurde.

30 Jahre später geht also jemand hin, schnappt sich diese beiden "historischen" Musikstile und verbindet sie miteinander. Dieser jemand ist Nick Page, Gründungsmitglied von Transglobal Underground, einer der wohl innovativsten britischen Weltmusik Ethno Bands. 2006 macht sich dieser Nick Page auf den Weg nach Äthiopien und trifft dort auf lokale Berühntheiten wie z.B. auf Sintayehu Zenebe, die auch als ???die Edith Piaf" des äthiopischen Gesangs gilt, und suchte mit ihnen zusammen nach musikalischen Wegen...

Das alles erinnert unheimlich an die Geschichte der Platte "Bole 2 Harlem Vol.1", bei der ebenfalls ein westlicher Musiker mit erfolgreicher Vergangenheit (David Schommer) sich auf den Weg nach Äthiopien macht und daraufhin beschließt, mit den musikalischen Eindrücken zu arbeiten. Aber wie um Himmels Willen kommt man im Jahre 2009 darauf, zwei unterschiedliche Musikstile der 70er Jahre miteinander zu verbinden?

Auch wenn ich diese Frage wohl nie beantwortet bekomme, das Ergebnis ist erstaunlich und hörenswert. Zwar werde ich mich nie an diese Sprache gewöhnen und einige Lieder sind in ihrer Fremdheit für mich nur schwer hörbar, aber in den guten Momenten der Platte (und davon gibt es eine ganze Menge) knallen die Songs ungemein. Wahrscheinlich klingt das ganze noch besser nach der Einnahme von bestimmten bewusstseinserweiternden Drogen, aber auch mit einer halben Flasche Medoc entfaltet der Sound schon eine ganz erstaunliche Wirkung - spätestens beim dritten Repeat.......

Dub Colossus auf myspace




Mittwoch, 4. Februar 2009
Afrikawoche bei schöne-töne - warum mich im Moment ausgerechnet drei afrikanische Platten regelrecht verfolgen, kann ich mir nicht erklären und lediglich (besorgt??) zur Kenntnis nehmen.

Bei der ersten Platte gibt es zumindest einen Erklärungsansatz: Immerhin sind Amadou & Mariam nicht erst seit ihrer Zusammenarbeit mit Manu Chao auf ihrer letzten CD "Dimanche a Bamako" eine meiner afrikanischen Lieblingsbands. Hinzu kommt, dass die neue Platte aufgrund des ungeahnten Vorgängererfolgs (z.B. Platz 4 in den französischen Charts) nicht nur von der weltmusikalischen Kritikerfraktion rezensiert worden ist. Auch einige sonst eher den modernen Rockmusikrichtungen zugewandte "professionelle" Kritiker haben sich an dem Album ausgetobt. Was dabei dann herauskommt, treibt mir manches Mal die Zornesröte oder ein amüsiertes Lächeln ins Gesicht.

Doch hier und jetzt soll es nicht darum gehen, diese sicherlich äusserst fundierten Ergüsse zu kommentieren, sondern meine eigene Meinung zu dem neuesten Werk des malischen Musikerpaars kundzutun. Und damit fangen die Schwierigkeiten an........

Denn auch beim x-ten Durchhören der Platte "Welcome to Mali" fällt es mir ziemlich schwer, mir eine Meinung über diese CD zu bilden. Da ist zum Beispiel der Opener der CD namens "Sabali". Das Stück ist das Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem Blur-Frontmann Damon Albarn. Dies klingt zunächst ungewöhnlich (und ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum sich die Rockmusikkritiker-Fraktion mit Wonne auf das Album gestürzt hat) - ist aber aus Sicht des Briten nur eine logisch Fortsetzung seiner musikalischen Biografie. Denn Herr Albarn hat sich immer schon mit afrikanischer Musik beschäftigt - das Album "Mali Music" aus dem Jahr 2002 (gemeinsam u.a. mit dem Koraspieler Tomani Diabaté) ist nur ein Ergebnis seines Interesses, ein anderes die Zusammenarbeit mit dem Fela Kuti-Schlagzeuger Tony Allen in dem Projekt "The Good, the Bad & the Queen".

Doch zurück zum Song: Sabali klingt so ganz anders als das, was man bisher von Amadou & Mariam kannte - keine Gitarrenklänge, stattdessen ein herrlich schräg-kitschertes Synthie-Discopopstück mit einer stark verfremdeten Stimme von Mariam Doumbia. Doch wo ist Amadou Bagayoko und seine charakteristische E-Gitarre? Das Stück klingt ein wenig so, als wäre Amadou mal eben aus dem Studio gegangen, um eine Kippe zu rauchen und in dieser Zeit hätte Damon Albarn mal eben mit Mariam mal was ganz Neues ausprobieren wollen....

Doch irgendwann kommt Amadou wieder zurück ins Studio und der Rest der Platte bewegt sich größtenteils in Bahnen, die man von den Alben "Wati" und "Tje Ni Mousso" kennt. Moderner eingängiger malischer afrikanischer Pop mit zwei starken Stimmen und einer virtuos eingesetzten E-Gitarre. Das ist mal besser, mal weniger gut gelungen. Mir gefallen insbesondere die Kollaborationen mit den unterschiedlichen Gastmusikern - scheinbar verstehen es die Beiden ziemlich gut, sich auf die jeweiligen Musiker einzulassen, ohne die ihnen eigene musikalische Linie zu verlassen. Das war schon so bei "Dimanche a Bamako" zu hören, als sie es schafften, die relaxte Stimmung, die die Musik von Manu Chao auszeichnet, auf "ihre" afrikanischen Rhythmen zu übertragen. Dieses Mal ist es insbesondere der mir völlig unbekannte (und ein wenig wie Manu Chao klingende) Juan Rozoff, der sich ideal mit Amadou und Mariam ergänzt.

"Welcome to Mali" ist ein gutes Album, wenn es auch nicht die hohen Erwartungen, die durch das Vorgängeralbum geweckt wurden, erfüllen kann - und welches mit "Sabali" ein Stück aufweist, welches überhaupt nicht auf die Platte passt - aber dennoch zu den Höhepunkten auf der CD gehört......

Amadou & Mariam Homepage
Amadou & Mariam auf myspace

Foto: Bryan Ledgard auf flickr




Dienstag, 30. Dezember 2008
Zu den ältesten italienischen "Mestizo"-Bands Italiens gehört ohne Zweifel Sud Sound System, die aus dem südlichen Apulien kommen und inzwischen seit fast 20 Jahren ihren Stil aus Raggamuffin, Dancehall und lokalen Traditionen hegen und pflegen. Leider waren bisher nicht sehr viele Infos über die Band in für mich verständlichen Sprachen im Internet verfügbar - bis sich altravita dankenswerterweise vor einigen Wochen ausführlicher mit der Band beschäftigt hat:

So kann ich mich ganz auf meine persönlichen "Erfahrungen" mit der Band und der neuen Platte "Dammene ancora" konzentrieren.
Kennen gelernt habe ich Sud Sound System durch einen Track auf dem sehr empfehlenswerten Sampler "Parole Italiane" des Münchener Trikont-Verlags aus dem Jahre 1997. Der "Soul train" erzählt von der Migration unendlich vieler Süditaliener in den Norden und klagt die Verantwortlichen in der Politik an, die jahrelang ihr eigenes Volk ausbeuten und ihre eigenen Versprechen nie einhalten. Der Track ist einer von denen, bei denen man sich ziemlich genau vorstellen kann, wovon der Text handelt, obwohl man kein Wort versteht und einer der besten Stücke auf der Compilation..

Die CDs von Sud Sound System enthielten immer einige wirklich gute und hörenswerte Songs, leider konnten sie aber nie das Niveau auf der ganzen Platte halten. Irgendwann wurden die Songs zu beliebig und eintönig - es fehlte immer eine gewisse Bandbreite, die mich dazu bringt, mehr als einmal eine Platte von vorne bis hinten durchzuhören. So landeten Songs von Sud Sound System in der Vergangenheit immer mal wieder auf irgendwelchen Mixtapes oder selbstgebrannten CDs - aber komplette Platten der Band habe ich eher selten durchgehört.

Ich habe das immer sehr bedauert, denn von ihren Eigenschaften erfüllt Sud Sound System alle Voraussetzungen, um eine meiner Lieblingsbands zu werden - (süd!-)italienische Herkunft, Reggae und Dancehallrhythmen, politisch das Herz und die Stimme am richtigen Fleck, entstanden in der autonomen Besetzerszene der 80er Jahre, usw.). Diesen Umständen hat es die Band auch zu verdanken, dass ich mir in der Folge jede ihrer Neuveröffentlichungen besorgt habe - und sie relativ schnell wieder mit einer leichten Enttäuschung abgelegt habe.

Doch jetzt hat sich mein unerschütterliches Vertrauen in die Band endlich gelohnt, denn mit der neuen CD "Dammene ancora" ist Sud Sound System endlich der ersehnte Kracher gelungen. Zwar gibt es auch auf dieser Platte den einen oder anderen Durchhänger, aber rüber sieht man angesicht der vielen wirklich schönen Stücke ocker und leicht hinweg. Die Songs sind erstklassig produziert und höchst abwechslungsreich, was sicherlich auch an dem Mitwirken zahlreicher Gastmusiker aus Italien und Jamaika liegt. Da gibt es neben der klassischen Dancehallnummer auch durchaus poppigere Töne zu hören wie beispielsweise beim wunderschönen "Piano" (Video), welches die Band gemeinsam mit Morgan Heritage eingespielt hat. Und selbst die eigentlich ziemlich schwülstige Herzschmerznummer "Chiedersi come mai", eine Produktion mit dem inzwischen im italienischen Mainstream angekommenen Neffa hat durchaus ihren Reiz. Derselbe Neffa übrigens, der meiner Meinung nach mit der CD "I messaggeri della dopa" eine der interessantesten italienischen HipHop Platten herausgebracht hat - aber das ist lange her und wird irgendwann auch einmal Thema in diesem Blog sein.....

Mit "Dammene ancora" haben die "ewigen Talente" von Sud Sound System endlich den Durchbruch geschafft - zumindest bei mir!

Sud Sound System Homepage
Sud Sound System auf myspace

Fotos: PaPisc auf flickr




Montag, 20. Oktober 2008
Angeblich soll der Bandname der französischen Band La Ruda Salska einem Wortspiel aus Ska und Salsa entstammen ( nach einer anderen "Theorie" stammt der Name von der polnischen Stadt Ruda Slaska). Dieses Wortspiel hat mich vor einigen Jahren dazu gebracht, mich mit der Band etwas näher zu befassen und mich mit zwei CDs einzudecken. Denn die erhoffte Mischung aus Salsa und Ska hatteetwas vielversprechendes und ich war gespannt, wie die Franzosen diese Fusion zustande brachten. Umso größer die Überraschung beim Durchhören - von Salsa war nichts zu hören, stattdessen knallte La Ruda Salska einen ziemlich reinen Ska-Punk heraus, der zwar nett anzuhören war, mir aber auf Dauer - sprich die ganze CD - zu eintönig war. Ohne zusätzliche musikalisch Elemente geht mir dieses "immer voll auf die 12"-Geschrabbel irgendwann auf die Nerven. Daher war ich immer wieder freudig gestimmt, wenn mal ein Stück von La Ruda Salska zufällig in meiner Playlist auftauchte, eine ganze CD habe ich mir aber seit Urzeiten nicht mehr angehört.

Vor einigen Monaten ist dann eine Acoustic-CD der Band erschienen - was mich zunächst nachhaltig davon abgehalten hat, mir die Platte einmal genauer anzuhören. Denn mit dieser Unplugged-Welle (die glücklicherweise ziemlich abgeflaut zu sein scheint) konnte ich nie sonderlich viel anfangen. Aber irgendwann - dem Radio sei Dank - wurde ich dann doch noch mit dem neuen Machwerk von La Ruda (das Salska ist inzwischen Geschichte) konfrontiert.

Doch das, was ich da hörte, entsprach so gar nicht meinen Befürchtungen. La Ruda haben eine ungeheuer entspannte Platte mit ihren älteren Hits (und einigen Neuveröffentlichungen) zu Stande gebracht. Da wird mit akustischer Gitarre, Bass und Schlagzeug ein dichter Soundteppich geknüpft, auf dem sich dann die Bläser und der Gesang lustvoll austoben. Das hat nichts (oder nicht mehr viel) von hartem Ska-Punk, sondern ist wundervoller relaxter Akustik-Ska mit stark französischem Einschlag. Und das ist die für mich größte und angenehmste Überraschung, plötzlich merke ich, dass die Songs von La Ruda (Salska) doch mehr sind als reiner Ska-Punk - und wecken damit die Lust, sich doch noch einmal der "harten" Platten anzunehmen......

La Ruda Homepage
La Ruda auf myspace





Mittwoch, 1. Oktober 2008
Ich frage mich schon seit ewigen Zeiten, warum es eigentlich keine gelungenen Versuche gibt, so etwas wie deutschen Mestizo zu kreieren. Warum sollte es nicht möglich sein, z.B. bayrische Volksmusik mit modernen Beats und Rhythmen zu verbinden und damit von dem Mief zu befreien, den diese Musik dank Karl Moik oder der volksmusikalische Hitparade umgibt. Doch bei allen Versuchen, die ich bisher gehört habe, hatte ich nie das Gefühl, dass der unheilvolle Geist des Musikantenstadls überwunden werden konnte. So finde ich zum Beispiel die Herangehensweise der österreichischen Gruppe Globalkryner durchaus erfrischend und originell, eine ganze CD am Stück kann ich mir aber nur anhören, wenn ich so betrunken bin, dass ich den Stopp-Schalter an meiner Stereoanlage nicht mehr finde. Und auch andere Versuche wie z.B. die heimischen Ausflüge von Hubert von Goisern haben mich nie überzeugt, so dass sich für mich die Meinung festigte, dass man mit alpenländischer Musik keine originellen Sounds verbinden kann.

Bis vor einigen Tagen, als ich zum ersten Mal in das Debut der Band LaBrassBanda gehört habe. Die Blaskapelle aus dem Chiemgau spielt eindeutig bayrische Musik - verbindet sie aber so gekonnt mit anderen Stilen, dass mir immer noch der Mund vor Staunen regelmäßig offen bleibt. Ob Mariachi, Balkan, Brass, Punk oder gar Dub, die Band verwurstet all diese Einflüsse (und noch viele mehr) zu einer höchst vergnüglichen, stimmungsvollen und hochklassigen Melange. Für mich ist "Habediehrediese Platte geradezu eine Offenbarung und einige Titel wie z.B. "Autobahn" oder "Marienkäfer" laufen bei mir zur Zeit permanent in einer Lautstärke, dass meine Nachbarn auf der anderen Strassenseite inzwischen über die deutliche Wetterverschlechterung recht dankbar sind.

Ein wundervolles Album einer vielversprechenden Band, die auch live absolut begeistern soll - ich wäre ein glücklicher Mensch, sollten sie ihre Qualitäten auch mal in meiner Nähe (womöglich gar im heimischen Kulturausbesserungswerk) zum Besten geben..........

LaBrassBanda auf myspace
Leider gibt es auf der myspace_Seite nur einige Remixe und ein zweiteiliges Snippet der Platte (habediehre) zu hören und so ein richtig gutes Video gibt es auch nicht. Aber sei's drum.......