Montag, 17. November 2008
Ich weiß nicht warum, aber ich habe eine besondere Affinität zu in schwyzerdütsch gesungener Musik. In meinen Ohren hat dieser Dialekt etwas ungeheuer Naiv-Sympathisches - selbst härtester Gangsta-Rap (falls es so etwas in schwyzerdütsch überhaupt gibt) würde beim Zuhörer wahrscheinlich den Impuls auslösen, den Interpreten liebevoll in den Arm zu nehmen. So passt diese Sprache ideal in das klischeebehaftete Bild von der gemütlichen Schweiz, in der die Kühe glücklich, die Natur in Ordnung und die Welt heile ist.

Natürlich zeigt der regelmäßige Blick in die Tageszeitungen, dass die Realität überhaupt nichts mit dem Klischee zu tun hat: Schwyzerdütsche Fussballfans prügeln sich, rechte Rattenfänger locken erfolgreich auf schwyzerdütsch mit fremdenfeindlichen Parolen, schwyzerdütsche Chemiefirmen zerstören die Umwelt und die schwyzerdütschen Kühe sind auch längst nicht mehr alle glücklich....

Dass es aber trotz all diesen unschönen Widrigkeiten immer noch oder wieder eine sympathische Schweiz gibt, dafür sorgen beispielsweise die vielen Reggaemusiker, die dieses kleine Land in letzter Zeit hervorgebracht hat. Ob es die Berge, die Kühe oder das Klima ist, welches so ungeheuer inspirierend auf die dortige Reggaeszene wirkt, vermag ich nicht zu beurteilen - Fakt ist, dass mit Akamassa, Famara, Elijah, den Scrucialists, den Ganglords und vielen anderen eine vitale Kultur entstanden ist.

Natürlich darf man bei der Aufzählung den Züricher Dennis Furrer alias Phenomden nicht vergessen. Mit seiner neuen CD "Gangdalang" hat ein wirklich beeindruckendes Album geschaffen. Mich hat ja schon sein Debut "Fang ah" restlos überzeugt, aber dann hat er mit seinem Nachfolger "Style-Generator" so gar nicht meinen Geschmack getroffen, so dass ich nicht besonders erwartungsvoll auf sein drittes Album gewartet habe. Doch mit "Gangdalang" nähert er sich stilistisch wieder dem Debut an - eine Mischung aus Dancehall und Modern Roots. 14 Songs - alle konsequent in seinem Zürcher Dialekt gesungen - über persönliche Dinge wie seinen Urlaub in Apulien (Dance im Olivenhain) - über die unvermeidliche Beziehungsproblematik (Für immer/Zrugg zu dir) - über Politik (Viil Lüüt/Chugle) - über Reggaehistory (Reggae-Kultur) und über philosophische Gedanken über das Leben überhaupt (Rootz/Steinig).
Das ist nicht immer perfekt, aber man spürt in jedem Song die Leidenschaft, mir der Phenomden sich seiner Themen annimmt - und dieser Enthusiasmus lässt einen locker über den ein oder anderen etwas holprigen Rhyme oder die etwas limiltierten gesanglichen Fähigkeiten hinwegsehen.

Eine sehr gute Platte!

Phenomden auf myspace




"Gegen Andre Williams sieht Little Richard aus wie Pat Boone"



Lux Interior von The Cramps über Andre Williams.
via laut.de

Foto: Vincent Gable für Eurockéennes de Belfort auf flickr