Montag, 3. November 2008
Was ist nur in Italien los?

Fast jeden Tag erreichen uns Nachrichten, die man ob ihrer völligen Abstrusität gar nicht glauben kann. Da will der Bürgermeister von Rom eine Strasse nach dem faschistischen Parteigründer und Antisemiten Giorgio Almirante benennen. Dann plant Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord, von minderjährigen Roma flächendeckend Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Durch das Land schwappt eine Welle der rassistischen Gewalt und die Regierung unternimmt nichts, um das menschenverachtende Treiben zu unterbinden. Im Gegenteil, die von der Regierung angestrebte Bildungsreform sieht unter anderem vor, dass getrennte Klassen für Migrantenkinder eingeführt werden sollen.

Und jetzt hat der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga die Öffentlichkeit in einem Interview darüber aufgeklärt, wie seiner Meinung nach mit den Studentenprotesten umgegangen werden sollte. Das Italien-Journal hat freundlicherweise den Wortlaut des Gesprächs wörtlich übersetzt.

"Presidente Cossiga, sind Sie der Ansicht, dass Berlusconi mit seiner Drohung, die Polizei gegen die Studenten einzusetzen, übertrieben hat?
«Kommt drauf an. Wäre er der Präsident eines starken Staates, würde ich sagen, er habe genau das Richtige gemacht, aber Italien ist ein schwacher Staat […] und ich fürchte den Worten werden keine Taten folgen […]».

Welche Taten sollten denn Ihrer Ansicht nach folgen?
«[…] Sie [die Demonstranten] erstmal machen lassen. Die Polizei von den Straßen und Universitäten abziehen, Agenti Provocatori einschleusen, die zu allem bereit sind und es dann für zehn Tage zulassen, dass die Demonstranten Geschäfte überfallen, Autos in Brand setzen und die Stadt verwüsten.»

Und danach?
«Danach, mit der Zustimmung der Bevölkerung im Rücken, müssen die Sirenen der Krankenwagen präsenter sein, als die der Polizei und der Carabinieri».

Will heißen?
«Will heißen, dass die Polizei die Demonstranten ohne Gnade massakrieren und allesamt ins Krankenhaus schicken muss. Nicht verhaften, die Richter würden sie sowieso wieder frei lassen, sondern bis aufs Blut prügeln und auch die beteiligten Lehrkräfte prügeln bis aufs Blut».
"

Nun ist Cossiga in jüngerer Vergangenheit bekannt dafür geworden, abenteuerliche Theorien in die Welt zu setzen. (So hat er beispielsweise 9/11 für eine mit Unterstützung von CIA und Mossad durchgeführte Aktion bezeichnet.)

Erstaunlich ist jedoch, dass es wohl von Regierungsseite keine Kritik an den Thesen Cossigas gegeben hat und dass die bis dahin friedlichen Proteste gegen die Bildungspolitik Berlusconis nur wenige Tage nach dem Interview durch Gewalt überschattet wurde. Dabei ging die Gewalt an der Piazza Navona in Rom keineswegs von den Demonstranten aus, vielmehr waren es faschistische Schlägertruppen, die mit Knüppeln und Gürteln bewaffnet und von der Polizei zunächst völlig unbehelligt friedlich Protestierende attackierten.Italienische Zeitungen berichten darüber hinaus, dass es Hinweise geben soll, dass Polizei und Nazischläger bei ihrem Versuch, die Proteste zu diskreditieren, heimlich zusammengearbeitet haben. Zwar ist Italien immer schon auch das Land der Verschwörungstheorien, aber nur deshalb, weil in Italien nichts unmöglich ist, wie die Skandale der Vergangenheit (z.B.P2, Uscita) deutlich gezeigt haben.

Es fällt mir schwerer und schwerer, dieses Land und seine Bewohner zu verstehen................