Freitag, 2. Januar 2009
Neben der absolut gelungenen musikalischen Zusammenarbeit verschiedener Künstler für das Projekt "Playing for change" (siehe hier) gibt es auch aktuell ein in meinen Augen ziemlich misslungenes Beispiel zu bewundern.

Anlässlich des 60. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (am 10.12.1948 wurde die Erklärung von den Vereinten Nationen verabschiedet) hat amnesty international USA einen Song samt Video produziert, um an das Datum zu erinnern und nebenbei zusätzliche Spendengelder einzunehmen. Mitgewirkt an dem Track haben viele Topacts aus dem Weltmusikbereich, wie z.B. Angelique Kidjo, Rachid Taha, Stephen Marley, Natascha Atlas oder Emmanuel Jal.
Herausgekommen ist ein netter und etwas beliebiger Popsongs, der sich im musikalischen Mainstream bewegt, dem die unterschiedlichen Interpreten aus allerlei "exotischen" Ländern aber einen gewissen Ethno-Touch verpassen. Musikalisch also nichts sonderlich Aufregendes oder Besonderes - aber das Zielpublikum ist ja auch nicht der weltmusikalisch interessierte Sonderling, sondern eine möglichst breite Masse.

Was die Sache aber wirklich ärgerlich macht, ist das Video, welches wie ein übelster Hollywood-verkitschter Teeniefilm rüberkommt. Da stehen die Musiker auf der Empore im großen Saal der Vereinten Nationen und bringen die anfangs skeptischen Politiker aus aller Welt dazu, zu tanzen, zu jubeln und für die gute Sache zu stimmen. Das ist nicht nur völlig realitätsfremd, sondern nur noch peinlich. So was kennt man eigentlich nur aus schlechtesten B-Movies (oder aus Bollywood)..........

Dabei ist das Ziel, was die Musiker und amnesty gemeinsam vefolgen, aller Ehren wert!!

"A world of peace a world of freedom, wih no disease and no starvation
A world of peace a world of freedom, free from fear and discrimination
A world of peace a world of freedom, with time for love and education
A world of peace a world of freedom, where justice rules in every nation!"





Dienstag, 30. Dezember 2008
Zu den ältesten italienischen "Mestizo"-Bands Italiens gehört ohne Zweifel Sud Sound System, die aus dem südlichen Apulien kommen und inzwischen seit fast 20 Jahren ihren Stil aus Raggamuffin, Dancehall und lokalen Traditionen hegen und pflegen. Leider waren bisher nicht sehr viele Infos über die Band in für mich verständlichen Sprachen im Internet verfügbar - bis sich altravita dankenswerterweise vor einigen Wochen ausführlicher mit der Band beschäftigt hat:

So kann ich mich ganz auf meine persönlichen "Erfahrungen" mit der Band und der neuen Platte "Dammene ancora" konzentrieren.
Kennen gelernt habe ich Sud Sound System durch einen Track auf dem sehr empfehlenswerten Sampler "Parole Italiane" des Münchener Trikont-Verlags aus dem Jahre 1997. Der "Soul train" erzählt von der Migration unendlich vieler Süditaliener in den Norden und klagt die Verantwortlichen in der Politik an, die jahrelang ihr eigenes Volk ausbeuten und ihre eigenen Versprechen nie einhalten. Der Track ist einer von denen, bei denen man sich ziemlich genau vorstellen kann, wovon der Text handelt, obwohl man kein Wort versteht und einer der besten Stücke auf der Compilation..

Die CDs von Sud Sound System enthielten immer einige wirklich gute und hörenswerte Songs, leider konnten sie aber nie das Niveau auf der ganzen Platte halten. Irgendwann wurden die Songs zu beliebig und eintönig - es fehlte immer eine gewisse Bandbreite, die mich dazu bringt, mehr als einmal eine Platte von vorne bis hinten durchzuhören. So landeten Songs von Sud Sound System in der Vergangenheit immer mal wieder auf irgendwelchen Mixtapes oder selbstgebrannten CDs - aber komplette Platten der Band habe ich eher selten durchgehört.

Ich habe das immer sehr bedauert, denn von ihren Eigenschaften erfüllt Sud Sound System alle Voraussetzungen, um eine meiner Lieblingsbands zu werden - (süd!-)italienische Herkunft, Reggae und Dancehallrhythmen, politisch das Herz und die Stimme am richtigen Fleck, entstanden in der autonomen Besetzerszene der 80er Jahre, usw.). Diesen Umständen hat es die Band auch zu verdanken, dass ich mir in der Folge jede ihrer Neuveröffentlichungen besorgt habe - und sie relativ schnell wieder mit einer leichten Enttäuschung abgelegt habe.

Doch jetzt hat sich mein unerschütterliches Vertrauen in die Band endlich gelohnt, denn mit der neuen CD "Dammene ancora" ist Sud Sound System endlich der ersehnte Kracher gelungen. Zwar gibt es auch auf dieser Platte den einen oder anderen Durchhänger, aber rüber sieht man angesicht der vielen wirklich schönen Stücke ocker und leicht hinweg. Die Songs sind erstklassig produziert und höchst abwechslungsreich, was sicherlich auch an dem Mitwirken zahlreicher Gastmusiker aus Italien und Jamaika liegt. Da gibt es neben der klassischen Dancehallnummer auch durchaus poppigere Töne zu hören wie beispielsweise beim wunderschönen "Piano" (Video), welches die Band gemeinsam mit Morgan Heritage eingespielt hat. Und selbst die eigentlich ziemlich schwülstige Herzschmerznummer "Chiedersi come mai", eine Produktion mit dem inzwischen im italienischen Mainstream angekommenen Neffa hat durchaus ihren Reiz. Derselbe Neffa übrigens, der meiner Meinung nach mit der CD "I messaggeri della dopa" eine der interessantesten italienischen HipHop Platten herausgebracht hat - aber das ist lange her und wird irgendwann auch einmal Thema in diesem Blog sein.....

Mit "Dammene ancora" haben die "ewigen Talente" von Sud Sound System endlich den Durchbruch geschafft - zumindest bei mir!

Sud Sound System Homepage
Sud Sound System auf myspace

Fotos: PaPisc auf flickr




Montag, 29. Dezember 2008
Am Anfang jeden Monats werden die World Music Charts Europe hier veröffentlicht. Über 50 DJs verschiedener Radiostationen in ganz Europa wählen ihre aktuellen Favoriten. Hier wie immer eine kurze Vorstellung der Top 3 des Monats Dezember und anderer interessanter Trends, die sich vielleicht aus den Charts herauslesen lassen....

Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich diese Rubrik nicht langsam und leise einschlafen lassen soll. Zu oft habe ich mit ähnlichen Worten beschreiben müssen, dass ich die platzierte Platte zu wenig kenne, um sie ausreichend bewerten zu können oder dass die Musik zwar sehr interessant klingt, der Stil aber nicht unbedingt meinen musikalischen Vorlieben entspricht.

Andererseits sind die WMCE die einzige mir bekannte monatlich aktualisierte Auflistung interessanter Veröffentlichungen aus dem Weltmusikbereich, welche immer wieder meinen musikalischen Horizont erweitert und mir neue interessante Interpreten und Platten vorstellt. Und so will ich auch im neuen Jahr die World Music Charts weiter beobachten und hier kommentieren.

Aber zunächst einmal gilt es, die Aufarbeitung der beiden vergangenen Ausgaben nachzuholen:

1. REBEL WOMAN von Chiwoniso (im November Platz 2)

Und wieder muss ich bereits x-mal geschriebenes neu verpacken - kenne zuwenig von dem Album und das, was ich bisher gehört habe, ist nicht unbedingt nach meinem Geschmack. Chiwonisio stammt aus Zimbabwe, ist aber in den USA geboren und aufgewachsen. Dieser Umstand ermöglicht es ihr, urbane Musik mit den traditionellen Rhythmen und Musikinstrumenten ihrer Heimat zu verbinden - aber das Ergebnis ist (wie eingangs schon erwähnt) nicht meine Musik......

2. IN THE HOUSE OF MIRRORS von Hector Zazou & Swara (November Platz 10)

Hector Zazou war ein französischer experimenteller Elektronikmusiker (er ist im September 2008 verstorben) und man kann sich das Ergebnis vorstellen, wenn ein solcher Musiker mit drei klassischen indischen Musikern eine Platte aufnimmt.......



3. SHAKE AWAY von Lila Downs (November Platz 3)

Endlich mal wieder eine Platte, die etwas mehr nach meinem Geschmack ist. Lila Downs ist inzwischen schon seit einigen Jahren mit ihrer stark mexikanisch geprägten Musik erfolgreich. "Shake away" ist ihr sechstes Album und nicht ihr Schlechtestes. Auch wenn mir ihre etwas überkandidelte Art zu singen manchmal etwas auf die Nerven geht, ist ihre Mischung aus allen möglichen Stilen wie Brass, Blues, Rock oder Klezmer, immer scharf gewürzt mit einer gehörigen Prise Mariatchi, äusserst hörenswert.

Ansonsten gibt es im Dezember viele Neuerscheinungen in den Top 20, die aber größtenteils eher aus der folkloristischen Ecke stammen. Musiker wie Pierre Akendengue aus Gabun, Bonga aus Angola oder Titi Robin aus Frankreich stehen für handwerklich gutgemachte Musik, aber nicht unbedingt für eine (mich faszinierende) Fusion aus modernen Beats und folkloristischen Melodien. Interessant könnte aber das lang erwartete Comeback der Dissidenten werden - der Snippet auf der myspace-Seite der Dissidenten klingt verstörend und spannend zugleich.

Am 30. Dezember bringt WDR Funkhaus Europa in seinem Radioprogramm die Jahresauswertung der World Music Charts Europe, zu diesem Zeitpunkt sollten dann auch im Internet die entsprechenden Platzierungen veröffentlicht werden. Ich habe so meine Vermutungen, bin aber sehr gespannt, wer in diesem Jahr die Jahresauswertung gewinnen wird - übermorgen abend wissen wir mehr.......



Dass ich einmal Tom Jones, den singenden Staubsaugervertreter hier in diesem Blog huldigen werde, hätte ich niemals für möglich gehalten. Denn Herr Jones stand für mich immer für eine Art von Musik und Showbiz, mit dem ich aber auch gar nichts anfangen konnte - was natürlich in erster Linie daran liegt, dass sein "Sex bomb" von 2000 in den Folgejahren dermaßen abgenudelt wurde, dass man selbst bei wohlgesonnener Bewertung irgendwann den Song nicht mehr hören konnte......was auch für seine älteren Erfolge aus den 60er und 70er Jahren gilt, die im Verlaufe der "Sex bomb"- Erfolgswelle wieder kurzfristig nach oben schwappten.

Auch Janis Joplin gehört nicht unbedingt zu meinen musikalischen Lieblingen. Woodstock ist lange vorbei und war weit vor meiner Zeit - von daher habe ich nie eine besondere Affinität zu der amerikanischen Blues und Rocksängerin entwickelt - und das trotz "Mercedez Benz" oder "Me and Bobby McGee", die ich auch heute noch ganz nett finde.

Dann habe ich aber vor einigen Wochen in dem Forum des britischen Radiojournalisten Charlie Gillett ein Video über einen gemeinsamen Fernsehauftritt aus dem Jahre 1969 gefunden. Und dieser Auftritt zeigt eindrücklich, dass Tom Jones doch mehr kann konnte als "Sex Bomb" oder "She's a Lady" - oder wie es ein mrtakushi in den Kommentaren zu dem Video auf YouTube treffend ausdrückt "I never realized how talented T. Jones was"......

...und damit wenden wir uns wieder der Mestizo- und Weltmusik zu........




Dienstag, 9. Dezember 2008
via Herr Paulsen und Nerdcore

Die Idee ist einfach und bestechend: Man nehme einen bekannten Song und lässt ihn von unterschiedlichen Musikern auf der ganzen Welt unabhängig voneinander einspielen. Später mixt man dann im Studio die unterschiedlichen Tonspulen ineinander und fertig ist der ultimative multikulturelle Ohrwurm.
Und das Tollste ist, die Idee funktioniert sogar hervorragend - zumindest bei dem Versuch von Mark Johnson, dem Mastermind des Projekts "Playing for Change: Peace Through Music". Insgesamt 37 verschiedene Strassenmusiker, in erster Linie aus den Vereinigten Staaten, aber auch aus Europa, Afrika und Asien zelebrieren "gemeinsam" den alten Ben E. King Klassiker "Stand by me" - und das in einer Art und Weise, die einem wohlige Schauer den Rücken runterlaufen lässt.



Noch besser als "Stand by me" gefällt mir allerdings ein zweiter Track von diesem Projekt. Leider ist er bisher auf YouTube (und auch anderswo) nicht komplett zu hören, aber der kurze Ausschnitt lässt einiges erahnen - sicherlich wird er auf der im nächsten Jahr erscheinenden DVD enthalten sein.
Mit dabei auch hier wieder unbekannte Strassenmusiker aus aller Welt, aber mit Manu Chao auch ein bekannter Vertreter dieses Genres. Sie alle erwecken den alten Bob Marley Klassiker "One world" wieder zu neuem Glanz.



Kurzer Nachtrag: Ein klitzekleiner Schatten fällt auf die Produktion, wenn man beim wiederholten Betrachten der beiden Videos feststellt, dass man bei der Untertitelung mit Namen und Herkunft der beteiligten Musiker nicht sonderlich sorgfältig gearbeitet hat. Da stammt der Gitarrist Roberto Luti einmal aus New Orleans, um dann im "One love" Video plötzlich aus Livorno zu kommen. Das schmälert natürlich die musikalischen Darbietungen in keinem Falle, hinterlässt aber zumindest bei mir einen Hauch von Unbehagen.