Donnerstag, 7. Januar 2010
Otto Ohm war in der Vergangenheit für mich immer eine gern gewählte Alternative, wenn mal wieder meine italophile Ader durchbrach und ich mir nach italienischen Momente zumute war. Die Band aus Rom verband auf ideale Weise italienischen Pop und modernen Rootsreggae zu einer nicht sonderlich ambitionierten, aber ganz netten und gut anzuhörenden Mischung. Ideal, um in verregneten Herbstabenden, kalten Wintertagen oder lauen Sommernächten einer unbestimmten Sehnsucht nachzuhängen.........

Vor einigen Wochen ist mit "Combo" das insgesamt vierte Album der Band mit dem vermeintlich komischen Namen erschienen. Otto Ohm heißt übersetzt 8 Ohm und ist ein gängiges Mass bei der Impedanz von Lautsprecherboxen (das habe ich aus dem Internet abgeschrieben, ohne irgend etwas verstanden zu haben....). Die Band existiert seit fast 13 Jahren und ist, wie so viele italienische Bands, in einem der zahlreichen Centri sociali (freie und autonome Kulturzentren) entstanden.

Beim ersten Hören der Platte bin ich schwer enttäuscht. Die Reggaerhythmen sind nur noch in homöopathischen Spuren zu entdecken - stattdessen dominieren wahlweise elektronische Einflüsse oder zuckersüßes Gitarrengeklimper. Die Band hat sich stark weg von Marley hin zu Ramazotti entwickelt, so dass man ein wenig den Eindruck hat, dass sie sich jetzt auch endlich ein größeres Stück vom kommerziellen Erfolg abschneiden möchte - koste es, was es wolle.....

Aber nach mehrmaligem Anhören muss ich mir eingestehen, dass meine Rezensionsfähigkeiten bei italienischen Plattenwieder einmal völlig versagen, denn inzwischen höre ich mir die Platte immer mal wieder mit deutlich gesteigertem Vergnügen an. Grund dafür ist sicherlich unter anderem die Stimme des Sängers Andrea Vincenzo Leuzzi, die nicht besonders schön ist, aber glaubhaft verschiedene Stimmungen transportieren kann und gut mit der weiblichen Stimme von Daniela Mariani harmoniert. Selbst in den Stücken, die typisch italienisch etwas melodramatisch vorgetragen werden, nervt die Stimme überraschenderweise selten. Aber wie gesagt, vielleicht bin ich auch einfach die falsche Person, um italienische Popplatten zu rezensieren........

"Combo" ist sicherlich nicht die beste Platte von Otto Ohm. Wem aber für seine persönlichen italienischen Momente Eros Ramazotti zu sehr Mainstream und Fabrizio de Andre zu schwer verdaulich ist, für den kann "Combo" eine durchaus interessante Alternative sein.

Wer aber Italien für ein vollkommen deppertes Land mit depperten Politikern und depperten Wählern hält, die ständig gelbehaart und sonnenbebrillt völlig kitschige Schlager hören - den wird "Combo" kaum dazu bringen, seine Ansichten über italienische Musik zu ändern (zumal sie ja teilweise durchaus stimmen....).

Otto Ohm Homepage
Otto Ohm auf myspace




Mittwoch, 6. Januar 2010
Manchmal geht ja alles Hand in Hand.
Da habe ich vor einigen Tagen in den Kommentaren auf die neue Platte von den Sierra Leone's Refugee All Stars hingewiesen, welche vom Cumbancha-Label herausgebracht wird und im März erscheinen wird. Und jetzt gibt es auf der Homepage der Band den ersten Titel zum kostenlosen Download - man muss lediglich seine Email-Adresse angeben und ist fortan im Nesletter-Verteiler der Band.
Wer das nicht möchte, kann sich auch alternativ hier den Titel "Living Stone" immer mal wieder anhören und sich etwas Vorfreude auf den März machen. Denn "Living Stone" zeigt hoffentlich die Richtung an, die die Sierra Leone's Refugee All Stars mit ihrem Album "Rise & Shine" einschlagen werden: melodischer Reggae und afrikanische Palmwine-Musik. Dabei scheint das neue Album wesentlich professioneller produziert worden zu sei als der Erstling "Living like a Refugee", der teilweise so klang, als wäre er direkt aus den Flüchtlingslagern in Guinea aufgenommen worden. Dort hat sich die Band vor einigen Jahren gegründet, als die Musiker wie so viele Menschen aus Sierra Leone aus ihrem Heimatland fliehen mussten, weil der im Land tobende Bürgerkrieg von den Parteien immer grausamer und ohne Rücksicht auf die zivile Bevölkerung geführt wurde.

Und wahrscheinlich wäre die Gruppe um den Frontmann Reuben Koroma niemals ins internationale Ramenlicht geraten, hätte nicht zufällig die amerikanischen Filmemacher Zach Niles and Banker White auf die Band aufmerksam wurden und ihren Weg über mehrere Jahre filmisch begleiteten. Platte und Film hatten Erfolg, so dass jetzt das inzwischen renomierte Cumbancha-Label den häufig so schwierigen Nachfolger produziert hat. Man darf gespannt sein.....


FREE DOWNLOAD - Living Stone by Sierra Leone's Refugee All Stars



Dienstag, 5. Januar 2010
Ich hatte es ja schon angekündigt: auch wenn ich die Monatsauswertung der World Music Charts Europe in diesem Blog nicht mehr kommentiert habe, so will ich doch auf die Jahresbestenliste einen längeren Blick werfen. Meine eigenen Favoriten gibt es dann am Wochenende....


Hier die TOP 5 der WMCE (die komplette Liste kann man sich hier ansehen):

Platz 1: SEYA von Oumou Sangare

Beim erstmaligen Hören der vorab erschienenen Singleauskoppelung hatte ich der CD ja bereits eine Spitzenplatzierung bei den Jahrescharts prophezeit. Beim Hören des gesamten Albums wollte ich aber meine Prophezeiung am liebsten wieder verwerfen - "Seya" ist ohne Zweifel ein gutes Album und eine interessante Kombination aus Tradition und Moderne, hat aber in meinen Ohren leider nicht das Potential, sich beste Weltmusikplatte des Jahrs 2009 nennen zu dürfen.



Platz 2: TRES TRES FORT von Staff Benda Bilili

Eine Gruppe von älteren Herren um die 50, die an Polio (Kinderlähmung) erkrankt sind, in Kinshasa auf der Strasse leben und sich mit selbstgebauten Rollstühlen fortbewegen - das klingt eher nach einer Geschichte für die alljährliche Weihnachtsspendensammlung als nach einer Bandbeschreibung. Aber Staff Benda Bilili besteht aus genau diesen Menschen und das macht es etwas schwierig, einen unvoreingenommenen Blick auf die Musik der kongolesischen Gruppe zu werden. Obwohl, für mich ist es relativ einfach, da ich mit kongolesischer Rumba nicht sonderlich viel anfangen kann. Deshalb finde ich die Geschichte um Staff Benda Bilili sehr spannend und ergreifend, musikalisch aber eher mittelmäßig....

Neben der CD "Tres Tres Fort" wird in diesem Jahr wohl auch ein Dokumentarfilm über die Band erscheinen. Man darf gespannt sein.......


Platz 3: TELL NO LIES von Justin Adams & Juldeh Camara

"Tell no lies" ist eine Platte, die ich bisher beharrlich ignoriert hatte - aber wahrscheinlich zu unrecht. Die Mischung aus dem elektrischen Gitarrenspiel des Briten Justin Adams und des gambischen Ritispielers Juldeh Camara scheint eine faszinierende Fusion aus verschiedenen musikalischen Welten zu sein. Ob das aber ausreicht, dass ich der hohen Chartplatzierung der Platte zustimmen werde, wage ich nach den diversen Hörschnipseln, die ich im Internet finden konnte, dann aber doch zu bezweifeln...


Platz 4: A TOWN CALLED ADDIS von Dub Colossus

Die Platte "A town called Addis" habe ich ja hier bereits besprochen. Meine damals vorsichtige Begeisterung für die Platte hat auch heute, 10 Monate nach dem Verfassen der Rezension, durchaus noch Bestand - was durchaus ein gutes Zeichen für die Qualitäten dieser Platte ist. Die Mischung aus Dub und äthiopischem Pop der 70er Jahre ist ungewöhnlich und spannende und dabei aussergewöhnlich gut.


Platz 5: COBA COBA von Novalima

Und noch eine Platte, die mir uneingeschränkt gefällt. Novalima verbinden die hierzulande weithin unbekannte Musik des schwarzen Perus mit locker-legeren elektronischen Beats. Dabei hat man im Gegensatz zu vielen ähnlichen Projekten nie den Eindruck, die folkloristischen Elemente dienen nur als hübsche Staffage für den Clubsound. Eine wirklich gelungene CD.


Insgesamt ist wieder einmal ein starker Trend hin zu afrikanischer Musik zu beobachten. Neben den 4 hier vertretenden Platten finden sich noch weitere 3 (sogar vier, wenn man Duoud aus Algerien hinzurechnet) CDs aus Afrika in den Top 10 - und damit auch indirekt eine Bestätigung für mich, die Charts wie im letzten Jahr geschehen etwas weiter links liegen zu lassen. Denn bei aller Wertschätzung für afrikanische Musik - auf unserem Globus gibt es weit mehr Hörenswertes zu erleben....

Überrascht bin ich von dem sehr guten Abschneiden von Shantels "Planet Paprika" (darüber demnächst mehr) und der völligen Abstinenz fernöstlicher Produktionen. Im letzten Jahr noch mit drei Produktionen auf den Spitzenrängen vertreten, findet sich in diesem Jahr als bestplatzierte Platte "Introducingon Hanggai aus der Mongolei.

Ob es die WMCE auch in 2010 geben wird, weiß ich nicht. Auf der Homepage fehlt zumindest die längst fällige Monatsauswertung für Januar, aber auch jede Erklärung für das Fehlen - ob dies vorübergehende technische Gründe hat oder ob ausbleibende finanzielle Unterstützung für einen endgültigen k.o. gesorgt hat, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Ich hoffe natürlich, mich auch im nächsten Jahr an den World Music Charts Europe gründlich reiben zu können.......



Montag, 4. Januar 2010

It has snowed more than 40 hours in Montreal since Lhasa's departure.
(..letzte Worte auf der Homepage von Lhasa de Sela)


Ihr Debut "La Llorona" war eine der ersten CDs, die ich mir damals auf Empfehlung eines kleinen auf Weltmusik spezialisierten Plattenladens zugelegt habe. Der Name Lhasa de Sela war mir völlig unbekannt und ich hatte auch keine Ahnung, wie alt und woher die Frau kam, deren einzigartige Stimme da aus meinen Lautsprechern kam. Ihre spanischsprachigen Liedern waren getränkt von Wehmut, Sehnsucht und ein bißchen mysteriös. Was in erster Linie an ihrer Stimme lag, die stark und zerbrechlich zugleich sein konnte und aus ihren Liedern kleine Kunstwerke machte.

Später hat sie ihre musikalische Bandbreite noch erweitert, sie sang auf französisch und englisch und ihre Songs wurden noch ruhiger, dunkler und geheimnisvoller. Auch wenn ich ihre Nachfolgeplatten durchaus zu schätzen weiss, ist für mich La Llorona das beste Album der kanadisch/amerikanisch/mexikanischen Sängerin - auch weil es neben den vielen traurig-dunklen Balladen auch einige Songs enthält, die eine etwas sonnigere Seite des Lebens zeigen.

Am 1. Januar ist Lhasa in Montreal im Alter von 38 Jahren verstorben.
Eine große Stimme ist für immer verstummt.....