Gestern abend im Kölner Stadtgarten:

Markscheider Kunst kommen aus St. Petersburg und sind eigentlich eine Ska-Band. Ska scheint eine recht beliebte Musikrichtung in der russischen Hafenstadt zu sein, denn mit Spitfire, La Minor und Leningrad sind noch weitere Bands aus St. Petersburg einem breiteren Publikum in Deutschland bekannt.

Was Markscheider Kunst aber von einer "normalen" Skaband unterscheidet, ist ihre Liebe zu afrokubanischen Rhythmen, die sie in ihre Musik einfließen lassen. Verantwortlich für diese Einflüsse ist der Kongolese Seraphim Makangila, der mit der Musik seiner Heimat die restliche Band gehörig infiziert hat. Heraus kommt eine sehr eigenwillige Mischung aus Ska, Latin, Reggae und Afrobeat - Zutaten, die man auch von vielen spanischen Bands kennt. Und doch klingen Markscheider Kunst ganz anders als die Mestizo-Fraktion Barcelonas - aber sie brauchen sich nicht vor diesen zu verstecken. Im Gegenteil, Markscheider Kunst gehören für mich zu den interessantesten Mestizo-Bands überhaupt.

Nach einem sagenumwobenen Konzert vor einigen Jahren wurde es höchste Zeit, die Band noch einmal live zu bewundern. Damals spielten sie in einem kleinen unbelüfteten Raum im Kölner Jugendpark - der Raum war zum Bersten gefüllt mit Leuten, die alle schnell von der irrwitzigen Musik mitgerissen wurden und dem Raum jeglichen Sauerstoff entzogen. Das Konzert dauerte ewig und die Band spielte und spielte und spielte.......Ich hab noch nie ein Konzert erlebt, bei dem ich dermaßen nassgeschwitzt und abgekämpft gewesen bin.

Lange habe ich mich gesträubt, erneut ein Konzert der Band zu besuchen - die (inzwischen verklärte) Erinnerung an das erste Konzert machte eine Enttäuschung wahrscheinlich. Doch diesmal war es wieder soweit: Markscheider Kunst im Kölner Stadtgarten.

Beinahe wäre das Konzert der merkwürdigen Visa-Praxis der deutschen Botschaft in Russland zum Opfer gefallen. Denn die Diplomaten sahen sich plötzlich außerstande, der Band fristgerecht die Einreise zu ermöglichen. Aufgrund einer Software-Umstellung in der deutschen Botschaft in St. Petersburg, so hieß es, sähe diese keine Möglichkeit, die beantragten Visa rechtzeitig auszustellen. Eine merkwürdige Begründung, die noch ominöser wird, wenn man erfährt, dass mit wortwörtlich der gleichen Begründung vor einigen Jahren der Band La Minor ebenfalls die Einreise verwehrt bzw. verzögert wurde.

Die Folge dieser merkwürdigen Politik der deutschen Botschaft war, dass einige Konzert der Band verlegt werden mussten und - was noch wesentlich schlimmer ist - gänzlich abgesagt wurden.

Das Konzert in Köln fand glücklicherweise statt und war ein wunderbarer Genuss.
Der Konzertraum war sehr gut gefüllt, als die Band endlich loslegte. Viele junge Leute mit "russischem Migrationshintergund" feierten ihre Band frenetisch und mit viel Alkohol und noch mehr bewußtseinserweiternden Rauchwaren. Das beeindruckte den Bandleader aber zumindest äußerlich nicht sonderlich, seine Ansprachen hielt er vorzugsweise in Englisch und die üblichen Danksagungen an des Publikum beging er mit viel angenehmen Understatement. Ich habe selten einen Bandleader gesehen, der so abgezockt und cool sein Programm runterspulte, ohne dass sein Verhalten in irgendeiner Form überheblich oder arrogant wirkte. Den jungen Russen war das auch ziemlich egal, sie feierten 2 Stunden sich und die Band......
Markscheider Kunst trat ohne ihr kongolesisches Bandmitglied an, der dem Vernehmen nach nur noch sporadisch mit der Band auftritt. Stattdessen spielte sie in der Besetzung, Gitarre und Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Percussion (wobei auch hier einige Schlagzeugelemete ausgiebig genutzt wurden) und einer dreiköpfige Bläsersektion.
Der Sound war klasse und perfekt abgemischt und die Band versteht ihr Handwerk, so dass man neben der absolut in die Beine gehenden Rhythmen auch die durchaus virtuos vorgetragenen Soli der einzelnen Musiker bewundern konnte - insbesondere bei der Afrobeat-Nummer "Zumu-zumu" legten die Bläser einen Sound hin, der auch einem Fela Kuti durchaus Freude bereitet hätte. Der Song war für mich der Höhepunkt des Konzerts - 15 Minuten Schweben auf einem genialen Soundteppich........

Fazit: Markscheider Kunst sollte man gesehen haben - und nicht nur einmal......




Ich habe Markscheider Kunst einmal im Dortmunder FZW erlebt und war sehr begeistert. Ab und zu lege ich die auch auf, passen gut zu "Balkanbeats" und "Russendisko" ;-) - Habe nach dem Konzert eine kleine Fotoserie ins Netz gestellt: http://rare.de/markscheider-kunst/